Kinderschokolade, die bittersüß ist

Diskussion um Kindersklaverei auf afrikanischen Plantagen ist neu entbrannt. Tagung in London

BERLIN taz ■ Das Wort „Kinderschokolade“ ist im Begriff, einen bitteren Beigeschmack zu bekommen. Anlass sind die sich häufenden Berichte über den Einsatz von Kindersklaven auf den Kakaoplantagen der westafrikanischen Elfenbeinküste, weltweit größter Produzent des Schokoladenrohstoffs. Gestern trafen sich im britischen Außenministerium Vertreter der Regierung der Elfenbeinküste mit Vertretern der Schokoladenindustrie, um über die Arbeitsbedingungen auf den Kakaoplantagen zu sprechen.

Die Diskussion darüber war neu entbrannt, nachdem in Benin am 17. April das Schiff „Etireno“ aufgegriffen wurde, auf dem Kindersklaven vermutet wurden. Kakaoplantagen Westafrikas sind ein Hauptabnehmer verkaufter Kinder, deren Anzahl in Afrika auf 200.000 pro Jahr geschätzt wird. Der führende britische Schokoladenhersteller Cadbury rief nach der Etireno-Affäre zu einer Kampagne gegen Kinderhandel auf. Die Internationale Kakao-Assoziation ICCO berief daraufhin das Londoner Treffen ein, das am Mittwoch noch ohne die Vertreter der Elfenbeinküste begann, um „das Problem der Sklaverei zu diskutieren“, wie der Verband erklärte.

Dass Kinder aus Mali auf den Plantagen der Elfenbeinküste schuften, ist seit Jahren bekannt. Die Elfenbeinküste ist traditionelles Zielland von Migranten aus den ärmeren Binnenländern Mali und Burkina Faso; sie werden seit einigen Jahren massiv diskriminiert. Mit dem Sinken der Kakaopreise auf dem Weltmarkt und der Deregulierung des einst staatlichen und extrem korrupten Kakaosektors der Elfenbeinküste in den letzten Jahren gerieten die Plantagenbesitzer unter wirtschaftlichen Druck und griffen zunehmend auf kostenlose Arbeitskräfte zurück.

Manche Kinder aus Mali mussten in der Elfenbeinküste jahrelang ohne Lohn arbeiten und wurden geschlagen, wenn sie wegrannten, ermittelte im September 2000 der britische TV-Sender Channel Four in einem Dokumentarfilm. Recherchen des britischen BBC-Rundfunks zufolge führen Polizeistationen in Mali Buch über vermisste Kinder und schätzen den durchschnittlichen Kaufpreis auf 350 US-Dollar (800 Mark). Ein Markthändler erklärte gegenüber der BBC, wie es auf den Plantagen zugeht: „Nach einem Jahr kriegt man kein Geld mehr. Wenn man um Geld bittet, kriegt man kein Geld und wird geschlagen.“

„Wer Kakao oder Kaffee trinkt, trinkt das Blut kleiner Kinder“, sagte Salia Kante, Landesdirektor des Kinderhilfswerks „Save the Children“ in Mali. „Die Kinder tragen Sechskilosäcke Kakao, die so schwer sind, dass ihre Schultern mit Wunden übersät sind.“ Die Berichte erregten großes Aufsehen in Großbritannien. Der britische „Keks-, Schokoladen-, Kuchen- und Pralinenherstellerverband“ (BCCCA) erklärte: „Sollten Beweise für diese fürchterlichen Praktiken enthüllt werden, werden wir die zuständigen Behörden informieren und auf das notwendige präventive Handeln drängen.“

Die Regierung der Elfenbeinküste weist die Vorwürfe, Kindersklaverei zu dulden, weit von sich. Von einer „negativen Kampagne“ sprach gestern die staatsnahe Zeitung Fraternité-Matin und sagte, die nach London gereisten Regierungsangehörigen sollten „die Tatsachen zurechtrücken“ – nämlich: „Die Elfenbeinküste ist kein Sklavenland.“ Die Regierung verlangt von den internationalen Schokoladenkonzernen, den Farmern höhere Preise für Kakao zu zahlen.

Die Konzerne wiederum halten sich nicht für betroffen, zumindest nicht an erster Stelle. Cadbury sagt, es importiere 90 Prozent seiner Schokolade aus Ghana, wo es keinen Kinderhandel gebe. Zugleich erklärte Cadbury-Sprecher Richard Frost: „Das Problem beschränkt sich nicht auf Kakao. Wir glauben, dass dieselben Dinge bei Reis, Mais und Kaffee vorkommen.“

DOMINIC JOHNSON