„Öko ist nicht lustfeindlich“

Auf der „Biofach“ trifft die Bundesverbraucherschutzministerin, die vieles besser machen will, auf einen Landesminister, der möglichst wenig anders machen möchte

NÜRNBERG taz ■ „Der Bund wird nicht die gesamten Folgekosten der BSE-Krise übernehmen.“ Bei der Eröffnung der „Biofach“ in Nürnberg, der international führenden Fachmesse für Naturkost und Naturwaren, erteilte die Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, Renate Künast, den Begehrlichkeiten von Bauernverbänden und Bundesländern eine Absage. Über die alte Zusage von einer Milliarde Mark hinaus will Künast ihren Haushalt nicht beanspruchen: „Ich will noch Geld übrig haben für das, was wir wollen, nämlich die Zukunft neu zu organisieren.“

Der Biomarkt boomt, und das bekommt auch die „Biofach“ zu spüren. 1.700 Aussteller aus 56 Ländern präsentieren Biolebensmittel, Naturkosmetika und andere Naturwaren, insgesamt 20.000 Besucher werden erwartet. Bei ihrer Eröffnungsrede hatte Künast leichtes Spiel, die Aussagen ihrer Vorredner ins Lächerliche zu ziehen. Gerd Sonnleitner, Präsident des Deutschen Bauernverbands, hatte sich verzweifelt als aufrechter Kämpfer für den ökologischen Landbau versucht. Bayerns umstrittener Landwirtschaftsminister Josef Miller hatte gesagt, was bayerische Minister immer sagen: Bayern ist Spitze. „Wir in Bayern brauchen keine Kursumkehr, sondern eine konsequente Weiterentwicklung unseres bayerischen Weges.“

Künast ließ keinen Zweifel daran, dass sie eine Kursumkehr wolle. Dazu brauche sie starke Partner. Nach dem Ausstieg von Bioland und Demeter aus der AgöL (Arbeitsgemeinschaft ökologischer Landbau) hofft die Ministerin, dass es „möglichst bald“ wieder einen schlagkräftigen Verband geben werde. Der soll sie dabei unterstützen, innerhalb der nächsten zehn Jahre den Anteil der ökologisch bewirtschafteten Flächen auf 20 Prozent zu steigern. Neidvoll blickt Künast nach Schweden und Österreich, die mit Anteilen von über zehn Prozent die europäische Statistik anführen, aber auch nach Großbritannien.

Doch eine Vergrößerung der ökologisch bewirtschafteten Flächen nützt nichts, wenn sich das Kaufverhalten nicht ändert. Dazu will Künast eine „Partnerschaft zwischen Lebensmittelindustrie, Einzelhandel und Bauern“ initiieren. Ökoprodukte müssten Einzug in Supermärkte und in das Sortiment der große Lebensmittelketten finden. Bislang beträgt der Marktanteil von Bioprodukten am deutschen Lebensmittelmarkt lediglich drei Prozent, was 7,5 Milliarden Mark entspricht. Um das Vertrauen der Verbraucher zu stärken, will Künst die derzeit rund 150 unterschiedlichen Qualitätslabel auf zwei reduzieren: eines für den gehobenen konventionellen und eines für den streng ökologischen Landbau. Bei den Ökobauern mahnt die Ministerin eine Imageänderung an. Sie sollten den Verbrauchern vermitteln, dass „Ökoprodukte nicht lustfeindlich, sondern die höchste Form des Genusses“ seien. Bei so mancher Neuheit auf der „Biofach“ sind da Zweifel berechtigt, zum Beispiel beim „dunkelroten Granulat VinoCell“, das all die wertvollen Vital- und Schutzstoffe des Rotweins enthält, aber kein Rotwein ist. BERND SIEGLER