Das Ende der Ratlosigkeit

In Nürnberg war gestern Richtfest für das „Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände“. Unbequeme Fragen stellte nur Paul Spiegel

NÜRNBERG taz ■ Die Zeit der Ratlosigkeit im Umgang mit der monumentalen Nazi-Hinterlassenschaft geht zu Ende: Das 18 Millionen Mark teure „Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände“ in Nürnberg nimmt Gestalt an. Gestern war Richtfest im Torso der so genannten Kongresshalle, dem größten erhaltenen NS-Bau in Deutschland.

Paul Spiegel, Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland, lobte das Projekt als „beispielgebend für die Erinnerungskultur in Deutschland“.

1933 hatten die Nationalsozialisten Nürnberg zur „Stadt der Reichsparteitage“ gekürt. Sie begannen eine „Tempelstadt der Bewegung“ zu bauen. Die Kongresshalle sollte das Kolosseum in Rom in den Schatten stellen. Im Winter 1942 wurden die großen Turmdrehkräne jedoch zum Bau der IG-Farben-Werke nach Auschwitz abgezogen und die Arbeiten eingestellt.

Nach dem Krieg diente das Monstrum aus Granit als Lagerhalle. Beim Architektenwettbewerb zur Gestaltung des Doku-Zentrums hatte 1998 der Grazer Architekt Günther Domenig mit einem Entwurf überzeugt, der mit der Monumentalität und strengen Geometrie des Nazibaus brechen sollte.

Domenig, der im Elternhaus nach eigenen Angaben „radikal nationalsozialistisch erzogen“ und dessen Vater kurz vor Kriegsende von Partisanen hingerichtet wurde, wollte die „architektonische Übersetzung der Macht mit einem Pfahl zerstören“. Dieser Pfahl aus Stahl und Glas durchschneidet nun diagonal das Gebäude und erschließt die Räume im Innern, die ab November 2001 eine Ausstellung zum Thema „Faszination und Gewalt“ beherbergen werden.

Auf dem Dach der Halle wird ein internationales Lern- und Studienforum entstehen, in dem auch aktuelle Fragen wie Minderheitenrechte thematisiert werden sollen. Genau solcher aktuellen Probleme nahm sich Paul Spiegel bei seinem Redebeitrag an. Die anwesenden CSU-Politiker hatten mit salbungsvollen Worten von der „nationalen Aufgabe“ (Oberbürgermeister Ludwig Scholz), vom „bayerischen Selbstverständnis als Kulturstaat“ (Bayerns Kultusministerin Monika Hohlmeier) und der „exemplarischen Bedeutung für Deutschland“ (Oscar Schneider, Kuratoriumsvorsitzender des Doku-Zentrums) gesprochen. Ihnen schrieb Spiegel ins Stammbuch, dass sie schleunigst den „missverständlichen Begriff von der deutschen Leitkultur“ aufgeben sollten. „Die Nürnberger Gesetze bestimmten für Jahre die Leitkultur des Dritten Reiches“. Solche „achtlos“ in die Debatte geworfenen Begriffe erweckten „nicht nur bei Juden schreckliche Assoziationen“. BERND SIEGLER