Er verkörpert, was Nazis imponiert

In der rechten Szene gilt Manfred Roeder als einer, der zur Tat schritt. Der ehemalige Rechtsanwalt stilisiert sich gern zum Untergrundkämpfer. 1980 steckte er hinter mehreren Sprengstoffanschlägen, inzwischen schmückt sich die NPD mit dem Mann

von BERND SIEGLER

Vom Rechtsterroristen zum NPD-Funktionär? Der 71-jährige Manfred Roeder ist ein Musterbeispiel für eine derartige Karriere im rechtsextremen Lager. Stets adrett gekleidet mit Lodenjanker und weißem Hemd mimt er gern den Biedermann. Väterlich tätschelt der weißhaarige Brillenträger seine Ehefrau Gertrud, die meist an seiner Seite ist, gibt sich im Kameradenkreis ganz jovial und schüttelt viele Hände. Auch vor Gericht setzt er sich gern in Szene – und auf der Anklagebank kennt sich der in einer nationalsozialistischen Erziehungsanstalt aufgewachsene Roeder bestens aus.

Nach einem Engagement in der CDU gründete der Rechtsanwalt 1971 die „Deutsche Bürgerinitiative“, focht seinen Kampf gegen „moralische und politische Anarchie“ und schrieb das Vorwort für das berüchtigte Buch „Die Auschwitz-Lüge“. Roeder tauchte bald überall in der illegalen Nazi-Szene auf und gründete mal hier, mal da einen Verein. Kleinere Haftstrafen und Geldstrafen wegen Volksverhetzung ließen ihn zunächst in die Schweiz flüchten, dann nach Brasilien, Großbritannien, USA und Südafrika. Überall kam er bei Kameraden unter und legte so den Grundstein für eine Vielzahl von Kontakten zum internationalen Rechtsextremismus.

1978 reiste er illegal in die Bundesrepublik ein und machte das, was den heutigen jungen Neonazis am meisten imponierte: Er schritt zur Tat. Roeder gründete die „Deutschen Aktionsgruppen“ (DA), die 1980 sieben Brand- und Sprengstoffanschläge gegen Unterkünfte von Ausländern, eine jüdische Schule und eine Auschwitz-Ausstellung verübten. Für Roeder war dies eine logische Weiterentwicklung seines Kampfes: „Nach acht Jahren war der legale Weg erschöpft“, schrieb der Rechtsanwalt. „Entweder mussten wir aufgeben oder in den Untergrund gehen.“ Eine Woche nachdem bei einem Anschlag im August 1980 in Hamburg zwei Vietnamesen ums Leben gekommen waren, wurde Roeder festgenommen. Ihm und drei weiteren Mitgliedern der Gruppe wurde in Stuttgart-Stammheim der Prozess gemacht.

Als geistiger Kopf der DA kam Roeder vergleichsweise glimpflich davon. Wegen Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung, Sprengstoffanschlägen und versuchter Anstiftung zum Mord wurde er zu 13 Jahren Haft verurteilte. Zwei Mitglieder der DA bekamen lebenslänglich. In der Haft blieb Roeder nicht untätig. Unterstützt von seiner Frau Gertrud, die auf dem „Reichshof“ daheim im hessischen Schwarzenborn alljährlich „Freundestreffen“ veranstaltete, gab er mehrere rechtsextreme Zeitschriften heraus und erhielt umfangreiche finanzielle Hilfe. „Die Aktivitäten der Eheleute Roeder wurden auch 1988 in erheblichem Maße durch Spenden unterstützt“, notierte damals das Bundesamt für Verfassungsschutz in seinem Bericht.

Mit Roeders Tätigkeit in der Haft hatte das Oberlandesgericht Stuttgart argumentiert, als es im November 1989 die vorzeitige Entlassung des Terroristen abgelehnt hatte. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte da weniger Bedenken. Er bescheinigte Roeder zwar eine „von NS-Gedankengut durchsetzte politische Überzeugung“, glaubte aber verantworten zu können, „zu erproben, ob der Verurteilte außerhalb des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird“. Auf dem „Reichshof“ konnten am 15. Februar 1990 die Sektkorken knallen, Roeder war ein freier Mann.

Schon zwei Monate später musste Roeder als umjubelter Gast bei der revisionistischen Veranstaltung „Wahrheit macht frei“ im Münchner Löwenbräukeller viele Hände schütteln. In der Folge hielt er in Kapstadt Vorträge vor südafrikanischen Rassisten, gründete das „Deutsch-Russische Gemeinschaftswerk“ und verlegte sein Tätigkeitsfeld auf die „Regermanisierung“ von Kaliningrad, des früheren Königsberg. Diebisch freute er sich, als er 1993 von der Bundeswehr drei Lastwagen als Spende abholen konnte. Im Januar 1995 durfte er dann gar bei der Bundeswehr-Führungsakademie in Hamburg referieren, in Erfurt verübte er später einen Farbanschlag auf die Wehrmachtsausstellung.

Politisch hatte er sich längst hin zur NPD orientiert. Als „unabhängiger Direktkandidat“ im Wahlkreis Stralsund/Rügen kandidierte er für den Bundestag. Er nutzte seine Wahlkampfauftritte zur Leugnung des Holocausts und wurde erneut wegen Volksverhetzung auf Bewährung verurteilt. Beim „Tag des nationalen Widerstands“ der NPD in diesem Jahr trat Roeder vor 4.000 Alt- und Neonazis in der Passauer Nibelungenhalle auf. Die finanziell eher klamme NPD findet Gefallen an dem Mann mit seinen guten Kontakten zum internationalen Rechtsextremismus und vor allem zu spendenfreudigen Kameraden. Die Diskussion um ein Verbot der NPD schreckt den Ex-terroristen nicht. „Alle Rechten sind die neuen Juden, die ausgegrenzt und verfolgt werden“, gibt er zum Besten.