Hinterm Spiegel spannt der Polizist

Hamburger Toiletten-Affäre gab vor 20 Jahren Anlass für die CSD-Tradition  ■ Von Peter Ahrens

GAL-Gleichstellungssenatorin Krista Sager spricht von einem der „dunklen Punkte in der Geschichte der Stadt“, den damaligen Bürgermeister Hans-Ullrich Klose (SPD) hatte es „tief beschämt“ – und es war der Anfang des Christopher Street Days in Hamburg: die so genannte Spiegel-Affäre der Hansestadt vor 20 Jahren. 1980 hatte der heutige Besitzer des Schmidt-Theaters und damalige grüne Bundestagskandidat Corny Littmann aufgedeckt, dass die Hamburger Polizei jahrzehntelang mit Hilfe von Einwegspiegeln die Besucher von Herrentoiletten bespitzelt hat. Der Innensenator Werner Staak (SPD) stoppte daraufhin diese Praxis.

In den 60er Jahren waren die ers-ten Spiegel unter dem SPD-Innensenator Helmut Schmidt in mehr als 60 öffentlichen Toiletten installiert worden, der letzte wurde noch 1973 angebracht, nachdem der Homosexuellenparagraph 175 längst reformiert worden war. Man habe damit die „ekelerregenden Belästigungen“ auf Männerklos stoppen wollen, hatte der Polizeisprecher damals zur Erklärung zum Besten gegeben. Allein von 1973 bis 1975 hatte die Polizei gut 1200 Leute verhaftet oder mit Toiletten-Hausverboten belegt, nachdem sie in den Klos „alle möglichen Praktiken, das ganze System der Anmache“ – so der Polizeisprecher – in Augenschein genommen hatte. Littmann hatte diese Praxis öffentlich gemacht, in dem er demonstrativ mit dem Hammer einen dieser Spiegel am Spielbudenplatz zerschlug. Zum Vorschein kam das verdutzte Gesicht einer Toilettenfrau, die auch gerade gespickt hatte.

Nicht nur wegen der Spiegel war die Hamburger Polizei vor 20 Jahren ungewollter Geburtshelfer der Christopher Street Day-Feiern. Die bewusste öffentliche Protesthaltung der Schwulen und Lesben der Stadt hing auch damit zusammen, dass die Polizei 1980 bei einer schwullesbischen Kundgebung unter dem Motto „Gay Pride“ massiv mit Knüppeln und chemischer Keule gegen die DemonstrantInnen vorgegangen war. Das Delikt der KundgebungsteilnehmerInnen: Sie hatten sich darüber empört, dass die Polizisten von ihnen eifrig Fotos gemacht hatte. Den Verdacht, die Polizei führe so genannte Rosa Listen, in denen die Homosexuellen der Stadt eingetragen sind, konnte die Innenbehörde nie ganz ausräumen.

20 Jahre später ist der CSD, der an diesem Wochenende wieder gefeiert wird, ein großer Rummel geworden, die Vorbehalte gegenüber Schwulen aber immer noch exis-tent. In Hoheluft und Winterhude wurden mit der Hauspost Flugblätter der Partei Christliche Mitte geliefert, in denen es heißt: „Homos haben eine unreife, egozentrische und infantile Persönlichkeit. Sie sind Neurotiker und Sklaven pervertierter Sex-Sucht. Homobeziehungen sind voller Eifersucht, Einsamkeit, Depression und Selbstmordgefahr.“ Die Adressaten der Postwurfsendung sollen ankreuzen, wenn sie „gegen die Praxis der Homosexualität“ sind und das Flugblatt weiterverteilen wollen. Der schwulenpolitische Sprecher der GAL-Fraktion, Farid Müller, hat deswegen Strafanzeige gegen die Partei wegen Volksverhetzung gestellt.