Big Sister: Nix als Glotze

■ Schülerinnen vom AG produzierten im Schülerstudio „Null Satt“ launige Persiflage auf „Big Brother“ / RTL 2 stiftete dafür den digitalen Schnittplatz der Extra-Klasse

Freut euch, denn „Big Brother“ ist eine Schwester geboren! Am Sonntag abend wurde sie im Medienzentrum Walle von ihren Geburtshelferinnen an die Öffentlichkeit gezerrt. Sieben Mädchen einer zehnten Klasse des Alten Gymnasiums, unterstützt vom Schülerstudio „Null Satt“ des Medienzentrums Walle und dem Schnittplatz-Sponsor RTL 2 haben am Wochenende gemeinsam die Wehen und Achs durchlitten, bis „Big Sister“ endlich ihren ersten Schrei ausstieß. Lerneffekt: Fünf Minuten Film an drei Tagen zu drehen und zu schneiden erfordert Durchhaltevermögen, Nerven wie Drahtseile und allerbeste Laune, auch wenn alles wie immer viel länger dauert und mal bis ein Uhr nachts gearbeitet werden muss.

„Big Sister“ ist nicht das kleine niedliche Schwesterchen, das alles will, was der Bruder auch hat, sondern holt den chronisch überschätzten „Großen Bruder“ auf den Teppich. „Big Brother“ ist Fernsehen – nix als Fernsehen. „Können wir auch“ hat sich die Truppe gedacht, die bereits zum dritten Mal die Schnittplätze, Produktionsräume und fachliche Hilfe von „Null Satt“ in Anspruch genommen hat – beide Male für den Fremdsprachen-Wettbewerb an Bremer Schulen.

Nachdem das Casting abgeschlossen war – „ca. 12.850 junge Männer fallen wegen ihres Geschlechts durchs Sieb“ – wurde drei Wochen lang an Konzept und Drehbuch gefeilt und am Freitag war es so weit: Nach der Schule kehrten sie der „realen“ Welt für drei Tage den Rücken. Schlafen, essen, filmen, feiern – drei Tage „eingeschlossen“ im Medienzentrum wie bei „Big Brother“. Mit der Ausnahme, dass es da bekanntermaßen Duschen gibt. Eine weitere Parallele zum Original: webcams lieferten Bilder der Produktionsstätten in alle Welt und die homepage von „Big Sister“ gibt die wirklich wichtigen Informationen preis: „Was mich ankotzt, dass diese Asis mir nicht erlauben, mein Handy mitzunehmen“ (Charlotte C., 16).

Die Schülerinnen haben die Charaktere bewußt überzogen dargestellt, um zu zeigen, wie albern der Hype ist. „Auf der anderen Seite macht es auch einfach Spaß, die Entwicklung der Leute zu verfolgen“, erzählt Camilla. Noch größeren Spaß scheint es Laura, Laura II und Charlotte allerdings zu machen, die „Big Brothers“ selbst zu spielen. Charlotte fühlt sich in ihrer Rolle als Prolette offensichtlich zu Hause, Laura I ist hauptamtlich schön und Laura II gibt das schrubbende Hausmütterchen. Die drei sind bei „Big Sister“ die Versuchskarnickel, die sich dem Willen der Produzentinnen zu beugen haben und dabei gezeigt werden, wie sie irgendwelche unsinnigen Aufgaben lösen müssen.

Gedreht werden diese Aufnahmen mit der Bluebox-Technik, das heißt: Die drei agieren zunächst vor einem blauen Hintergrund. Per Computer wird in der Nachbearbeitung der eigentliche Hintergrund eingespielt. Im Film laufen die Darstellerinnen dann in einem Puppenhaus herum. Auf einer zweiten Filmebene sind die Produzentinnen – Christina, Camilla, Julie und Franziska – zu sehen, wie sie vor der Glotze hängen und „Big Bro-ther“ verfolgen. Dabei verfallen sie auf die Idee, ihre Kohle mit der Produktion von „Big Sister“ einzufahren. Am Ende sollen die Ebenen „Realität“ und Fernsehen zusammenfallen und unklar lassen, wer eigentlich wen beobachtet, erklärt Laura den Leitgedanken des Films.

„Medienpädagogik und RTL 2 – passt das zusammen?“ fragt Klaus Heitkötter, der das vom Bildungssenator geförderte Schülerstudio „Null Satt“ betreut. „Big Brother“-Sender RTL 2 eröffnet mit dem Sponsoring nicht wirklich eine kritische Debatte um Menschenwürde im Kampf um Einschaltquoten.

Den sieben Schülerinnen, die hier mal eben nebenbei ihren spielerischen Umgang mit der bierernst diskutierten Show aufgezeichnet haben, kann das egal sein. Hauptsache, das Kind ist gesund und hat Kabelanschluss. Eiken Bruhn

siehe auch: www.nullsatt.de