Die Stunde des grauen Panthers

Unter den Minderbegabten des Talkgewerbes ist er König. Jetzt nöckelt Erich Böhme wieder durch sein Altherrenreich – als selbst ernannter Haider-Entzauberer ■ Von Klaus Bittermann

Dem Medium verfallen, das Prominenz durch Präsenz beschert, nahm Böhme, was er in die Finger kriegte: nicht viel

„Das Fernsehen macht uns zur Zirkustruppe. Es fehlt, dass man am Schluss noch als Affe auftritt“, meinte Böhme einmal, aber das war Koketterie, denn natürlich macht sich Böhme gerne zum Affen, wenn er z. B. auf Anweisung Frau Böttingers in „B. trifft ...“ irgendwelchen prominenten Pappnasen – was jetzt nicht metaphorisch gemeint ist, sondern eins zu eins – die seiner Meinung nach passende Brille aufsetzt. Ein Intelligenzspielchen für Primaten, in dem der pawlowsche Reflex getestet wird: Drückt er nun das richtige Knöpfchen, damit unten eine Banane rauskommt?

Vielleicht hätte er früher solchen Gameshow-Blödsinn nicht mitgemacht, aber nachdem er aus dem „Talk im Turm“ (Sat.1) hinausgeworfen wurde, brachte er leider nicht den Mumm auf, sich vom Fernsehen ganz zu verabschieden. Dem Medium verfallen, das Prominenz durch Präsenz beschert, und das ganz ohne Verdienste oder Talent, nahm er alles, was er in die Finger kriegen konnte. Das war nicht viel. Auf n-tv macht er den billigen Jakob für eine Billigbilligproduktion, die im Grünen Salon der Volksbühne stattfindet. Dort leistet man sich nur einen Gast. Dafür hat Böhme einen Kollegen zur Seite: Heinz Eggert. Und man frug sich: Wurde Böhme möglicherweise als Therapeut für Heinz Eggert eingestellt? Im „Grünen Salon“ jedenfalls ist auf ihn zu Zwecken der Seelenmassage eine Kamera gerichtet, der eggertsche Existenzbeweis.

Nach Böhmes Abgang als Chefredakteur des Spiegel, bei dem er sich gewisse Verdienste um das Vaterland erworben hatte, als man unter seiner Ägide die Flick- und die Barschel-Affäre aufdeckte, bekam er den Herausgeberposten der Berliner Zeitung, von der er annahm, es ließe sich aus ihr eine Washington Post machen – ein bis heute andauerndes Missverständnis. 1990 wurde Böhme von einem ehemaligen Kollegen, der dringend einen Moderator suchte, fürs Fernsehen entdeckt. Böhme verlieh der kränkelnden Sendung sein nicht unerhebliches Eigengewicht, indem er jeden Sonntagabend im Berliner Interconti in einer Gruppe von dunkelbraunen bis dunkelblauen Anzügen herumhockte und als „orakelndes Plumeau“ (Roger Willemsen) auftrat. Mit Erfolg. Rund drei Millionen guckten Böhmes „Talk im Turm“. 1998, nach 393 Palaversendungen, startete die ARD plötzlich eine Gegenoffensive mit einem Konzept, das jenem von Sat.1 zum Verwechseln ähnlich sah. Auch hier sitzen am Sonntagabend fast ausschließlich dunkle Anzüge herum, aus denen die üblichen Politikereierköpfe hervorlugen, aber mit Sabine Christiansen konnte man eine Frau ins Rennen schicken, die ihr mangelndes Moderationstalent zwar mit moralischem Fundamentalismus kompensieren muss, deren Gesicht jedoch jeder kennt. Da spielt es keine Rolle, wenn ihre Fragen ungefähr so erhellend sind wie eine Zehn-Watt-Glühbirne.

Den Sat.1-Verantwortlichen leuchtete schnell ein, dass Böhme im direkten Vergleich keine Chance haben würde, weshalb sie ihn fallen ließen wie eine heiße Kartoffel. Eine Entscheidung, die arg an Böhme nagte.

Aber es war auch das Publikum, das von Erich Böhme die Nase voll hatte. Es hatte genug von dem Gezänk und dem Altherrengenöckel. Es wollte bestraft werden, es sehnte sich nach den strengen Blicken einer Domina, nach Tadel und Ermahnungen, nach einer Welt, die sich mit den einfachen Mitteln einer moralisch inkontinenten Person erklären ließ.

„Ich habe mir die Landschaft so angeguckt“, sagte Böhme im Spiegel, „und da gibt es nichts, was ich nicht auch könnte – vielleicht sogar besser.“ Und da hat er Recht, denn unter den Minderbegabten des Talkgewerbes ist Erich Böhme König. Worin sich Böhme jedoch nicht von seinen Kollegen unterscheidet, ist die Sucht nach ständigem Gebauchpinseltwerden. „Ich bin hemmungslos eitel“, trötete Böhme in der Bild am Sonntag und kommt sich dabei unheimlich ehrlich, frech, klug und politisch inkorrekt vor, ja fast ein bisschen verrucht. Aber die schnippische Selbstbezichtigung ist kläglich, denn sie soll kaschieren, dass Böhme so ziemlich alles tun würde, um wieder auf seinen alten Posten zurückkehren zu dürfen.

Dafür hat er auch den für den 20. 2. vorgesehenen Start seiner neuen „Talk in Berlin“-Sendung auf morgen vorgezogen, um den „Mädels“ Christiansen und Illner („Berlin Mitte“, ZDF) „mal zu zeigen, wie man eine solche Talkshow macht“. Nachdem sich Christiansen mit der Ein- und Ausladung von Jörg Haider blamiert hatte, schlug die Stunde des grauen Panthers. „Der Mann gehört nicht ausgesperrt, der gehört verhört“, sagt Böhme schon reichlich weggetreten, denn ist es nicht eher so, dass sich alle um Haider reißen und dabei so tun, als träten sie unerschrocken für Meinungsfreiheit ein? „Verhört“ wird Haider zwar nicht vom „B-Movie-Darsteller Daniel Cohn-Bendit“ (FAZ), obwohl der doch ganz sauer darüber war, dass ihm Christiansen die Show vermasselt hatte, dafür aber von Ralph Giordano, dem weißmähnigen wackeren Streiter für Gerechtigkeit, Frieden, Freiheit und das alles, vom CSU-Politiker Michael Glos und von Freimut Duve, der erfreulicherweise seit längerem nichts mehr von sich hören ließ und der sich für die Verhörsendung qualifiziert hat, weil er als Medienbeauftragter der OSZE in Wien lebt. Eine illustre Runde mit hoher Zwergenbeteiligung, die einen großen Unterhaltungswert verspricht und Werbung umsonst für den grenzenlosen Opportunisten Jörg Haider, den Antisemitismus mit smartem Antlitz, der nun auch den deutschen Zuschauern beweisen wird, dass Rechtsextremismus eigentlich ganz okay ist, wenn man solche Gegner hat.