„Der Song ist nicht gegessen“

■ Die Münchner Postrocker Schwermut Forest schreiben Pop klein und machen dabei manche glücklich

Dies ist die Geschichte einer Band, die plötzlich zum Pop gefunden hat. Eine Geschichte, die Anfang 1999 etwas untergegangen ist, weil mit Blumfeld eine andere Band so viel deutlicher und auch massenwirksamer zum Pop gefunden hat. Doch bei Schwermut Forest steht Pop auch in Anführungszeichen, wie schon der Albumtitel Sort of andeutet. Relativ Pop ist diese Platte, im Verhältnis zur Geschichte der Band eben. Aber weil die Platte klasse ist, soll die Geschichte erzählt werden.

Die Leute, die dereinst Schwermut Forest bilden sollten, waren Ende der Achtziger in der Münchener Post-Hardcore-Szene in Bands oder Fanzines aktiv. Doch ein Abend in der Kulturstation bildete ein Schlüsselerlebnis, wie Julian Weber, Texter und Schlagzeuger der Band, erzählt: „Im Saal spielten Nation of Ulysses und im Hinterraum legte am gleichen Abend Blake Baxter Platten auf. Aus solchen Zusammentreffen haben wir uns Kicks geholt." Prägender als die Begegnungen von Agit-Prop und Techno war für das Debütalbum von Schwermut Forest aber die Platte Spiderland von Slint. „Alles sollte ganz natürlich klingen", erinnert sich Weber, aber Hörer der Platte erinnern sich vor allem an pseudogewichtigen Sprechgesang und ein ständig solierendes Saxophon: „Wir standen ziemlich allein in München. Es gab damals eine richtige Saxophon-Allergie."

Alleine postrockend in München, just zu dem Zeitpunkt, als sich die bayrische Metropole auf ihren kurzen glamourösen Moment in der Popgeschichte rückzubesann: Zum Glück für solche scheinbar aussichtslosen Fälle gibt es die Weilheimer. Im Hausmusik/Kollaps/Payola-Mikrokosmos fanden auch Schwermut Forest ihren stillen Ort zur Entwicklung, sanft ermutigt von Kitty-Yo aus Berlin und Carsten Hellberg aus Hamburg. Und so reifte in Julian Weber und seinen Mitstreitern die gewichtige Erkenntnis heran: „Das Thema Song ist nicht gegessen." Mit den Hörerfahrungen elektronischer Musik wurden Platten von Television anders wiedergehört, Jammen bekam Struktur und Multiinstrumentalist Jascha Mueller übernahm auch noch den Gesang. Das Ergebnis: "popsongs, kleingeschrieben".

Auf dem Hausmusik-Festival im letzten Herbst sorgten die Wandlungen für Irritationen: „Das klingt ja, als würden Workshop Dreiminutensongs spielen", kolportiert Weber entrüstete Stimmen, "da habe ich natürlich über beide Ohren gestrahlt." Und das darf er auch: Das mit Carsten Hellberg als Executive Producer in Tobias Levins Hamburger Studio aufgenommene zweite Album schimmert zwar mehr, als daß es strahlt, doch aus der Genauigkeit im Zusammenspiel entstehen Momente farbiger Schönheit.

Und obwohl Julian Webers Texte mehr andeuten, als sie aussagen, lassen sie doch trefflichst die Situation der Band erkennen: „Und meine Freunde von der Instrumentalmusik/ sie schau'n mich an, üben Fundamentalkritik.“ Daß Fundamentalkritik von der zurückhaltenden Eleganz von Sort of abprallt, scheint das Happy End dieser Geschichte zu sein. Doch diese Band ist noch lange nicht am Ende, so glücklich diese Platte einen auch machen mag.

Felix Beyer Mi, 24. März, 21 Uhr, Molotow