Ein Ort namens Knoxville

Wie auf der Suche nach dem Schauplatz eines Romans ein erstaunliches Album entstand. Die wundersame Geschichte der Nürnberger Band Buddy & the Huddle  ■ Von Thomas Winkler

Vielleicht wäre alles ganz anders gekommen, hätte Michael Ströll schon zu Hause ein Akkuladegerät für sein Tonband gekauft. So aber geschah es, daß Ströll und sein Musikantenkollege Roland Kopp unter dem Namen Buddy & the Huddle eine wundersame Platte aufnahmen.

Alles begann damit, daß die beiden „Verlorene“ von Cormac McCarthy lasen (im Original: „Suttree“). Dann schlug Kopp vor, man möge doch in das im Bundesstaate Tennessee gelegene Knoxville reisen, um dort zwei Wochen lang zu studieren, was dran sei an der Stadt, in der der Roman in den 50er Jahren spielt. Im April 1996 fanden die beiden „ein Knoxville vor, das sich seit den 50ern nicht verändert hat, alles verfallen, morbid“. Man begann mit der „Ideensammlung“, wie der Roman akustisch umzusetzen sei. Die allerdings wäre wohl im Nichts verlaufen, wäre nicht die Sache mit dem Ladegerät passiert.

Wer rechnet schon damit, in einer Stadt mit 180.000 Einwohnern kein Elektrofachgeschäft zu finden. Die beiden mußten sich durchfragen, bis sie in einem Frisiersalon landeten. In dem war es üblich, den Haarschnitt mit Naturalien zu bezahlen, weswegen der Friseur Greg McGinnis im Zweitberuf Trödler geworden war. Mit Hilfe von McGinnis fanden sie die Originalschauplätze des Romans und Fotos aus jener Zeit – so eines von Cornelius Suttree, der dem Roman im Original den Titel gab. Sie trafen sogar Menschen, die im Roman in Nebenrollen auftauchen. „Aber niemand“, ist Ströll noch heute erstaunt, „kannte das Buch.“

Direkt in Knoxville aufzunehmen wäre zu teuer geworden. Zurück im heimischen Winkelhaid bei Nürnberg ließen sie sich mehr als ein Jahr Zeit und nahmen im eigenen Studio mit Hilfe von Bekannten und Freunden und Bekannten von Freunden eine erste Platte auf, die in Miniauflage 1997 im Selbstverlag nur auf Vinyl erschien: „Music For A Still Undone Movie Maybe Called Suttree“.

Aus den Aufnahmen entstand keine Band, sondern was Ströll „eher ein Netzwerk“ nennt. Die Vielzahl von Sängern und Musikern, die Vibraphon, Mundharmonika, Akkordeon, Marimbaphon, Flügelhorn, Didjeridoo und alle denkbaren Blas- und Streichinstrumente beisteuerten, wäre sonst wohl kaum finanzierbar gewesen. So aber wurde schnell eine zweite LP eingespielt. Ihr zwar respektvoller, aber geradezu unglaublich souveräner Umgang mit Blues, Gospel, Jazz, der trotzdem zu keinem Moment einen unangenehmen Beigeschmack von Museum hat, trug ihnen euphorische Kritiken ein. Wolfgang Doebeling sprach ihnen im Rolling Stone in seiner Eigenschaft als Großinquisitor des Roots-Erbes die Absolution aus: „Mehrdimensionales Erlebnis, Antithesen zur industriell geprägten Konfektionsware in Mediamärkten...“

Das Werk, und so kann man es ruhig nennen, ohne rot zu werden, das Werk auf die Bühne zu bringen stellte sich aufgrund der Instrumenten- und Stilvielfalt allerdings als Problem heraus. „Wir könnten es natürlich abspecken“, sagt Ströll, „aber das wollen wir nicht, der Reichtum an Instrumenten, das macht ja den Reiz aus.“ So sind die Auftritte selten und dafür um so aufweniger: Passende Textstellen aus dem Roman werden gelesen, die Fotos, die die beiden in Knoxville gemacht haben, in einer Ausstellung gezeigt. Eine Tournee scheint vorerst unmöglich.

Die beiden LPs sind nun gerade, auf einer CD zusammengefaßt, noch einmal veröffentlicht worden. Im Herbst soll eine weitere Platte von Buddy & the Huddle erscheinen, wenn auch diesmal nicht inspiriert von den Knoxville-Erfahrungen, statt dessen „mit teilweise elektronischen Sachen dabei“.

Romanautor Cormac McCarthy weiß noch nichts von seinem Glück. Zwar haben Kopp und Ströll überlegt, ihm die Platten zu schicken, aber es dann aus Angst vor möglichen Copyright-Problemen wieder verworfen: „Wir werden uns hüten, schlafende Hunde zu wecken.“ Doch den Freunden in Knoxville haben sie Platten geschickt, aber bisher noch keine Antwort erhalten. Ströll vermutet nun, die schon damals recht alten Herrschaften seien womöglich gar nicht mehr am Leben.

Und das Akkuladegerät? Das hat Ströll tatsächlich noch gefunden: Bei Greg McGinnis im Tri Star Barber Shop.

Buddy & the Huddle: „Music For A Still Undone Movie Maybe Called Suttree“ (Glitterhouse/ eastwest)

Einziger Auftritt in nächster Zeit: 30.10. Nürnberg, Tafelhalle