Frauen morden, Männer schlagen tot

Der spektakuläre Fall des Pastors Klaus Geyer facht die Diskussion über Tötungsdelikte in Partnerschaften neu an  ■ Von Gaby Mayr

Birgit S.* ist eine Dame. Die Kleidung von schlichter Eleganz, der Lippenstift dezent, der Tonfall verbindlich wie beim Sektempfang des Offizierscorps mit Gattinnen. Es kostet Birgit S. allerdings viel Kraft, die Contenance zu wahren. Denn sie sitzt im Gefängnis, weil sie ihren Mann, einen frühpensionierten Bundeswehrpiloten, erschossen hat, der nach 29jähriger Ehe völlig unerwartet wegen einer anderen Frau auszog und ihr bei einem letzten Treffen „Egoismus“ vorwarf, nachdem sie sich ein Eheleben lang angepaßt hatte. Das Landgericht Oldenburg verurteilte Birgit S. wegen Mordes zu lebenslanger Haft. Auf Drängen ihrer Kinder legte Birgit S. Revision ein. Der Bundesgerichtshof widersprach der Auffassung der Oldenburger Richter von einer „raffinierten Tatvorbereitung“. Das endgültige Urteil lautet sieben Jahre Haft.

Auf Anhieb mit fünf Jahren davongekommen ist dagegen der Kleinunternehmer Armin V. Er hatte seine Frau bei einem nächtlichen Streit mit einem Kissen erstickt. Sie wollte nach 24jähriger Ehe zu einem anderen Mann ziehen, von dem sie sich mehr Zuneigung erhoffte. Für ihren Gatten Armin V. hatte sie den Haushalt und die Buchhaltung geführt, er hatte 16 Jahre lang eine Freundin. Diese Beziehung war zu Ende, und Armin V. war außer sich, als seine Frau ihn nun verlassen wollte.

Die unterschiedlichen Erst-Urteile in diesen beiden Fällen sind typisch. Da Frauen wegen geringerer Körperkraft schlecht spontan tödlich zuschlagen können, wird ihnen fast immer ein planvolles Umbringen unterstellt. Zwangsläufig werden sie dann wegen Mordes belangt und nicht „nur“ wegen Totschlags.

Falls eine Frau tötet „wie ein Mann“, nämlich mit besoffenem Kopf, nützt ihr das allerdings kaum. Die Schauspielerin Ingrid van Bergen wurde 1977 in einem spektakulären Prozeß zu sieben Jahren Haft verurteilt, weil sie den Geliebten nicht gehen lassen wollte – immerhin wurde ihr ein Affekt zugestanden. Totschlag im minderschweren Fall – wegen vorangegangener Beleidigungen – billigte ihr das Gericht nicht zu.

Mitgefühl dagegen für das einstige Westberliner Boxidol Bubi Scholz, der, ebenfalls betrunken, seine Frau durch die geschlossene Tür der Gästetoilette erschoß und behauptete, es sei ein Unfall gewesen: drei Jahre Haft wegen fahrlässiger Tötung und illegalen Waffenbesitzes.

Beim aktuellen Fall mit bundesweitem Medienecho sind die einschlägigen Stichworte zur Entschuldigung des Angeklagten schon gefallen. Pastor Geyer könne die „schwere Affekttat“, in deren Verlauf das Gesicht der Frau völlig zerstört worden war, begangen haben, weil er sich „massiv in die Ecke gedrängt fühlte“, spekuliert der psychiatrische Gutachter. Die „Ecke“ könnte darin bestanden haben, daß Veronika Geyer-Iwand ihren Mann verlassen wollte.

Möglicherweise war der Pastor sehr verzweifelt. Tot ist, wie in neun von zehn Beziehungsdramen mit tödlichem Ausgang, die Frau. Vielleicht war auch sie verzweifelt. Allerdings hätte sie kaum die Körperkraft gehabt, ihn in einem Streit totzuschlagen.

* Name geändert

Fernsehtip: Titelthema „Beziehungstötungen“ in Frau TV (WDR) am 2.4., 22 Uhr