Experten lassen Atomnovelle durchfallen

■ Entwurf sei verfassungswidrig. Kritik bei Bundestagsanhörung

Berlin (taz) – Die von der Bundesregierung verabschiedete Novelle des Atomgesetzes stößt bei Experten und bei der Opposition auf scharfe Kritik. Der Frankfurter Atomrechtsexperte Rudolf Steinberg kommt in einem gestern bekanntgewordenen Gutachten zu dem Ergebnis, daß der Entwurf aus dem Hause Merkel verfassungswidrig sei. Laut Novelle sollten Kompetenzen von den Ländern auf den Bund übertragen werden. Dazu sei aber, so das Gutachten, die Zustimmung der Bundesländer nötig. Die Länder Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein, die das Steinberg-Gutachten in Auftrag gegeben hatten, sahen sich in ihren Bedenken bestätigt. Sachsen-Anhalts Umweltstaatssekretär Wolfram König kündigte eine Verfassungsklage an, falls Merkel versuchen sollte, das Gesetz ohne Zustimmung der Länder in Kraft zu setzen.

Bei einer Expertenanhörung vor dem Umweltausschuß des Bundestages brachten Experten noch weitergehende Kritik vor. Lothar Hahn vom Darmstädter Öko-Institut beklagte, daß der Merkel-Entwurf die Sicherheitsphilosophie im Atomrecht verändere. Statt um Vorsorge soll es künftig nur noch um die Minimierung bereits akzeptierter atomarer Risiken gehen. „Das ist einer komplexen Technik wie der eines Atomkraftwerks nicht angemessen“, urteilte nach der Anhörung der umweltpolitische Sprecher der SPD, Michael Müller. „Man redet dann nicht mehr über die Sicherheit des AKW, sondern nur noch über die einzelner Ventile.“

Der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz und die BUND-Landesverbände Hessen und Baden-Württemberg kritisierten, daß der Vorrang der Sicherheit für die Bürger „zugunsten wirtschaftlicher Interessen der AKW-Betreiber“ geopfert werde.

Im Bundesumweltministerium hieß es gestern nur, man halte die Novelle selbstverständlich für verfassungskonform und werde sie auch ohne Zustimmung der Länder in Kraft setzen. Vielleicht fehlten deswegen die meisten Abgeordneten der Koalition bei der Anhörung des Bundestages. ten