Das Portrait
: Der Verteidiger der Deiche

■ Matthias Platzeck

Kurzerhand hat der Minister für Umwelt, Natur und Raumordnung seinen Wohnsitz verlegt: in ein Hotel im oderdurchspülten Frankfurt. Seit letzter Woche ist Matthias Platzeck im Katastrophengebiet ständig im Einsatz, um die Arbeiten an den durchweichten Deichen zu koordinieren. Meistens in seinem kleinen Audi, der irgendwann auf Rapsdiesel umgestellt werden soll, oder auch mal im Hubschrauber. Der 43jährige Sozialdemokrat „hat sich zum absoluten Deichspezialisten entwickelt“, sagt sein Sprecher Florian Engels anerkennend. „Er weiß alles über Deichmaterial, Deichquerschnitte oder die Deichgeschichte seit dem 16. Jahrhundert.“

„Verteidigung der Deiche“ – dieses Wort gefällt dem bekennenden Pazifisten Platzeck eigentlich nicht besonders. Trotzdem, so gibt er zu, sei er angetan von den organisatorischen Fähigkeiten der Bundeswehr im Einsatzgebiet. Nach dem Dammbruch am Mittwoch war er daran beteiligt, den unwilligen EinwohnerInnen von Ratzdorf eine mögliche Evakuierung leichter zu machen: Die Bundeswehr baute ihnen ein Zeltlager an einer Stelle auf, wo sie – psychologisch wichtig – ihre von der Flut bedrohten Häuser noch hätten sehen können.

Der gelernte Umweltingenieur gehört nicht erst seit seinem Vor-Ort-Einsatz zu den beliebtesten Landespolitikern Brandenburgs. Platzeck, der Ende der 80er Jahre der Stasi zum Trotz die Potsdamer Bürgerinitiative „Argus“ mitbegründete, hat sich seinen Bart von damals stehen lassen und ist bei seinen Überzeugungen geblieben: „Ehrlichkeit ist wichtig, in der DDR gab es genug Lügen.“ Die Wende katapultierte den damals noch den Bündnisgrünen nahestehenden DDR-Basiskämpfer an die Macht: Minister ohne Geschäftsbereich im Kabinett Modrow, Volkskammer- und Bundestagsabgeordneter, seit 1990 Landesminister in Brandenburg, seit 1995 SPD- Mitglied. Auch bundesweit genießt er einen guten Ruf: vor allem wegen der Ausweisung zahlreicher Naturschutzgebiete, unter anderem des Naturparks Unteres Odertal. Hier wurden in der letzten Woche die Polder geflutet. Platzeck habe das „mit einem lachenden und einem weinenden Auge“ angeordnet, so sein Sprecher: Das Hochwasser konnte sich gut verteilen, aber so seltenen Vögeln wie dem derzeit brütenden Seggenrohrsänger stehe das Wasser jetzt „bis zum Hals“. Ute Scheub