Und plötzlich bist du Antifa

In Berlin findet am Wochenende ein Solidaritätskonzert gegen die Kriminalisierung von Antifa-Initiativen aus Göttingen und Passau statt. Mit dabei: Die smarten HipHopper von Fettes Brot  ■ Von Jürgen Voges

In Berlin feiert man noch immer gern anarchistisch. „Mit uns die Regierung stürzen“ lautet das Motto des Musikveranstalters, der morgen zum „Antifa-Soli-HipHop“ in die Alte TU-Mensa Berlins einlädt. Der Erlös des Konzerts soll staatlich verfolgten AntifaschistInnen aus Göttingen und Passau zugute kommen.

Crash Course, so der Name des Veranstalters, steht für eine knapp zwanzigköpfige Gruppe von Leuten zwischen 16 und 25 Jahren. Sie alle arbeiten in verschiedenen Berliner Antifa-Inis mit, wollen mit den Konzerten ihr politisches Anliegen transportieren und dabei auch zeigen, daß „es bei Linken nicht langweilig und fade“ zugehen muß. Vor den HipHop hat Crash Course die politische Debatte gesetzt: Schon heute abend diskutieren im Hauptgebäude der Technischen Universität (TU) unter dem Titel „Antifa 2000 – Gemeinsamkeiten, Unterschiede, Perspektiven“ unter anderem der Sprecher der Göttinger Antifa (M) und der Landesvorsitzende der VVN/ Bund der AntifaschistInnen.

Die Bands, darunter No Remorze und die smarten Chart- Hopper Fettes Brot, bekommen für ihren Auftritt nur die Reisespesen ersetzt. Natürlich hat auch die Crew von Crash Course das Konzert aus Spaß an der Sache, also „ehrenamtlich“, organisiert. Schließlich werden die Göttinger Antifa (M) und die Passauer Antifa Jugendfront das Geld für Prozeß- und Anwaltskosten gut gebrauchen können: 17 Mitglieder der Antifa (M) haben erst Anfang der Woche Geldbußen von insgesamt 51.000 Mark zahlen müssen. Damit haben sie ihr bundesweit einmaliges Strafverfahren zum Abschluß gebracht.

Allein aus Verstößen der Göttinger Antifa gegen das Versammlungsgesetz hat die Generalstaatsanwaltschaft Celle eine „kriminelle Vereinigung“ Antifa (M) zu konstruieren versucht. Auf einer Reihe von Demos gegen Neonazis in Göttingen und Umgebung, bei denen in der Regel auch Grüne, Sozialdemokraten und Gewerkschafter mitmarschierten, hatten es sich Göttinger autonome Antifas jahrelang nicht nehmen lassen, mit Skimützen über den Köpfen als sogenannter schwarzer Block aufzutreten. Diese Verstöße gegen das Vermummungsverbot wurden von der Göttinger Polizei in Absprache mit der Landesregierung in Hannover über Jahre durchaus hingenommen.

Eine Sonderkommission des niedersächsischen Landeskriminalamtes, die zunächst kurzzeitig wegen einer Reihe von Brandanschlägen in Göttingen ermittelt hatte, überprüfte dann allerdings insgesamt 143 Personen auf ihre Mitgliedschaft in der Antifa (M). Sie hörte 13.929 Telefonate ab, observierte jahrelang das Göttinger Grüne Zentrum, in dem sich regelmäßig mittwochs auch die Antifa M (M wie Mittwochsgruppe) traf, durchsuchte 1994 schließlich 15 Göttinger Wohnungen. Die schier unglaubliche, im wesentlichen mit dem Verstoß gegen das Versammlungsgesetz begründete Anklage wegen „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ wollte selbst die zuständige Staatsschutzkammer nicht zur Hauptverhandlung zulassen, dann aber wurde die Kammer vom Bundesgerichtshof gestoppt.

Nicht zuletzt, weil in der Verhandlung das sogenannte Deeskalationskonzept von Göttinger Polizei und Landesregierung zwangsläufig zum Thema geworden wäre, stimmte im Juni diesen Jahres auch die Celler Generalstaatsanwaltschaft einer Einstellung des Verfahrens zu. Die 17 Angeklagten hatten im Gegenzug zu erklären, daß sie „die Bestimmungen des Versammlungsrechts zukünftig berücksichtigen“, und hatten je 3.000 Mark an die KZ-Gedenkstätte Mittelbau Dora in Nordhausen zu überweisen.

Was in Göttingen nach Einschätzung der Antifa (M) mit einem „Mißerfolg“ der Generalstaatsanwaltschaft endet, dauert in der bayerischen Stadt Passau immer noch an: Observation der Antifa-Szene, Hausdurchsuchungen. Die Bundesanwaltschaft ermittelte dort, als an einer bei McDonald's eingeworfenen Scheibe die drei Buchstaben „RAF“ zu lesen waren. Und selbst in Göttingen endete erst am Wochenende wieder eine Antifa-Demo gegen ein Treffen unbelehrbarer Wehrmachtsveteranen mit einem brutalen Einsatz der Polizei, mit Arm- und Rippenbrüchen und Platzwunden auf seiten der Demonstranten.

Gegen diese „Kriminalisierung von Antifa-Gruppen“ will Crash Course eine ganze Serie von Solidaritätskonzerten setzen. Der Auftritt der insgesamt vier HipHop- Bands am Samstag ist das zweite dieser Konzerte. Bisher haben die Organisatoren mit der Kombination von Politik und populärer Musik überraschend gute Erfahrungen gemacht: „Sobald man ein konkretes Projekt vorschlagen kann, sind die Musiker auch ansprechbar“, erklärt der 22jährige Gregor für die Veranstalter.

Die HipHopper von Fettes Brot, so sagt er nicht ohne Stolz, seien bisher keineswegs als Musikgruppe mit politischem Anspruch aufgetreten. Erst nach der Anfrage von Crash Course hat sich herausgestellt, daß die drei Herren aus Hamburg trotz ihrer rasanten Karriere zum Viva-tauglichen Deutsch-Hop-Act auch etwas für Antifa-Initiativen übrig haben.

Fettes Brot, Absolute Beginners, No Remorze und Uncle Ho, morgen, 20 Uhr in der Alten TU- Mensa, Berlin.