„Ein singulärer Erfolg mit Signalwirkung“

■ Fritz-Achim Baumann (61), Chef des Landesamts für Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen, zu den rechten Runden Tischen, den Reps und der Neuen Rechten

taz: In den parteipolitisch organisierten Rechtsextremismus ist Bewegung gekommen. Es haben sich sogenannte Runde Tische gebildet. Welche Bedeutung haben sie?

Fritz-Achim Baumann: Die Runden Tische sind im Grunde Ergebnis der schlechten Wahlergebnisse der einzelnen rechtsextremen Parteien. Die „Deutsche Liga für Volk und Heimat“, die sich schon bei ihrer eigenen Gründung einen Einigungsauftrag erteilt hatte, hat diese Tische initiiert. Nach dem Erfolg der „Republikaner“ in Baden-Württemberg im März haben die Runden Tische aber an Bedeutung verloren.

Obwohl die Reps mit rigorosen Ausschlußverfahren gegen Teilnehmer an Runden Tischen reagieren, machen sich ehemals in den eigenen Reihen gefeierte Parteimitglieder wie der Rep-Wahlkampfleiter Leo Thenn für eine „Vereinigte Rechte“ stark. Könnten die Runden Tische zu einer Spaltung der Reps führen?

Wir haben dafür momentan keine Hinweise. Bei allen rechtsextremistischen Parteien gibt es in aller Regel viele Leute, die Häuptling, und wenige, die Indianer sein wollen. Da kann es immer mal zu einer Spaltung kommen. Wir haben aber den Eindruck, daß durch den singulären Wahlerfolg der Reps in Baden-Württemberg die Stellung des Rep-Chefs Rolf Schlierer doch sehr stark ist. Schlierer erhofft sich von einer Abgrenzung zu anderen rechtsextremen Parteien und einer gewissen Behutsamkeit in öffentlichen Aussagen, Stimmen aus dem Lager der Nichtwähler und dem bürgerlichen Lager zu bekommen.

Ist der Erfolg der „Republikaner“ in Baden-Württemberg mehr als ein regionales Spezifikum?

Die meisten Verfassungsschützer waren überrascht, daß es den Reps trotz allgemeinen Rückgangs gelungen ist, dort 9,1 Prozent zu holen. Der Erfolg selbst ist eine baden-württembergische Spezialität. Das hängt mit der Großen Koalition dort zusammen, damit, daß man auch im Ländle allmählich die Rezession spürt, und natürlich mit einer gewissen Kleinbürgerlichkeit, die in diesem Landstrich vorherrscht. Andererseits ist der Erfolg ein Signal, daß eine rechtsextreme Partei gerade in der Ausprägung von Schlierer eine Chance hat, auf Dauer zu bestehen. Die meisten rechtsextremen Wahlerfolge in der Vergangenheit waren bisher nur von sehr kurzer Dauer, deshalb ist der Rep-Erfolg zwar ein singuläres Ereignis, besitzt aber eine gewisse Signalwirkung.

Halten Sie es für möglich, daß es den Rechtsextremisten gelingen könnte, mit solchen Gesprächskreisen und Initiativen ihre relative Isolation zu überwinden?

Da kommt die sogenannte Neue Rechte ins Spiel, also die Anhänger der sogenannten Konservativen Revolution. Diese Gruppe von Intellektuellen, die sich orientieren an politisch-geistigen Erscheinungen der Weimarer Republik und antidemokratisches Denken propagieren, versuchen, in allen möglichen Beziehungen Einfluß zu gewinnen. Solche geistigen Strömungen könnten zu einer Stärkung der Rechten führen, auch im Sinne einer kulturellen Hegemonie mit dem Ziel, verstärkt nationalistisches Gedankengut in die öffentliche Diskussion zu bringen.

Die Neue Rechte ist zwar derzeit weit davon entfernt, eine eigene politische Organisation zu bilden, für den Bestand der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stellt sie aus meiner Sicht aber eine Gefahr dar, weil deren Ideen leichter Anklang finden. Der normale Bürger ist ja gefeit gegen Gewaltanwendung und Neonazis, die Erinnerung an die Vergangenheit ist nicht tot. Die Ideen aber, die die Gewaltenteilung, den Parlamentarismus und die Gleichheitsgrundsätze in Frage stellen, die das Parlament als Quasselbude denunzieren und auf tatkräftige Entscheidungen drängen, die sind auch für normale Stammtischbürger verführerisch.