Warum Frauen heute noch Perlen brauchen

Putzen, kochen, Bälger hüten – „Dienstmädchen“ tun es seit Jahrhunderten. Meist schwarz. Die Bundesregierung möchte in Zukunft für Hunderttausende Frauen sichere Anstellungen im Haushalt. Doch wollen das die Frauen?  ■ Von Petra Welzel

„Ein auswärtiges Mädchen von guter Erziehung, das schreiben, rechnen und mit sonstigen weiblichen Arbeiten umgehen, auch einer Haushaltung vorstehen kann und Zeugnisse hat, suchet als Haushälterin Condition.“ Mit solchen Stellengesuchen war vor knapp 200 Jahren das Frankfurter Intelligenz-Blatt gespickt. „Erfahrene Polin, 40 Jahre, sucht Teilzeitstelle als Putzfrau, kein Sex“ lautet eine Anzeige, die man heutzutage zum Beispiel im Berliner Tagesspiegel findet.

Dienstmädchen gibt es seit Jahrhunderten. Vor dem Aufstieg der Städte verdingten sie sich als Gesindemagd auf größeren Bauernhöfen. Später dann zogen sie oft allein als Fremde in die Stadt. Die Frauen nahmen eine Arbeit als Dienstmädchen aus finanzieller Not an. Selbst, wenn sie eine gründliche Schulausbildung vorzuweisen hatten.

Daran hat sich bis heute nicht viel geändert. Wieder sind es die Frauen, die überwiegend als Putze, Haushaltshilfe oder Kindermädchen in abhängigen und ungeschützten Beschäftigungsverhältnissen tätig sind. Ungeschützt deshalb, weil die Frauen meist in geringfügigen Beschäftigungen oder schwarz arbeiten, keine Sozialversicherungsbeiträge bezahlen und so auch keine Ansprüche auf deren Leistungen haben. Abhängig deshalb, weil sie einerseits meist nur über ihre Ehemänner versichert sind und keinen eigenen Rentenanspruch haben und andererseits der Willkür ihres privaten Arbeitgebers ausgeliefert sind. Besonders davon betroffen sind die illegal arbeitenden Immigrantinnen, die nach Angaben der IG Bau 70 bis 80 Prozent der Haushaltshilfen stellen. Beim Berliner „Frauennotruf“ häufen sich seit langem die Klagen ausländischer Haushaltshilfen wegen sexueller Übergriffe.

Auch dieses Problem ist nicht neu. In der Gesindeordnung von 1810 gab es einen Paragraphen, der den Tätern Strafe für die „Verführung zur Unzucht“ androhte. Im „Dienstmädchenerlaß“ der Bundesregierung von 1992 ist über diese Seiten des Arbeitsplatzes Privathaushalt nichts zu finden. Er regelt allein die Steuervergünstigungen der privaten Arbeitgeber, die ein Dienstmädchen einstellen. Doch so recht Gebrauch machen wollen jene davon nicht. Lediglich knapp 30.000 BundesbürgerInnen setzen ihre Haushaltshilfen von der Steuer ab, während etwa 732.000 „Perlen“ nach Angaben des Arbeitsministeriums schwarz arbeiten. Mit ihrem 50-Punkte-Programm für Investitionen und Arbeitsplätze will die Regierung jetzt noch einmal versuchen, dieser Schwarzarbeit entschieden entgegenzuwirken – letztendlich auf Kosten der Ausländerinnen.

Eine Million sozialversicherungspflichtige und somit legale Arbeitsplätze erhofft sich Bernhard Jagoda, Präsident der Bundesanstalt für Arbeit, durch die Verdoppelung des Steuerfreibetrages auf 24.000 Mark. Doch nur einige wenige sehr gut Verdienende können sich eine Vollzeitbeschäftigte leisten, die dann von der Steuer absetzbar wäre. Die meisten Frauen arbeiten aber in nicht absetzbaren 590-Mark-Jobs. Weniger als 100.000 Arbeitsplätze werden es daher wohl tatsächlich sein. Das hat bereits im Januar ein Gutachten des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung im Auftrag des Wirtschaftsministeriums ergeben. Und auch das Modell der SPD wird kaum mehr geschützte Beschäftigungsverhältnisse schaffen.

Sie setzt auf Agenturen, über die die Beschäftigten je nach Bedarf und stundenweise vermittelt werden und versichert wären. Zur finanziellen Unterstützung der Haushalte bietet die SPD Dienstleistungsgutscheine an. Statt der steuerlichen Ersparnis sollen alle Haushalte mit einem Kind unter 14 Jahren oder einer pflegebedürftigen Person eine 40prozentige Förderung ihrer Aufwendungen erhalten. Bei einem errechneten Stundenlohn von 25 Mark würde der Staat 10 Mark übernehmen. Diese Investition von 13 Milliarden bei 9,9 Millionen berechtigten Haushalten wäre schon dann kostenneutral, wenn allein 25 Prozent der neuen Beschäftigten zuvor Arbeitslosengeld oder -hilfe bezogen hätten. Daß aber durch diese Subventionen mehr Familien zu einer Haushaltshilfe greifen, ist kaum zu erwarten. Wer sich eine stundenweise Hilfe leisten kann, greift auch jetzt schon auf dem Schwarzmarkt zu.

„Auch das SPD-Modell richtet sich nur an die Besserverdienenden“, sagt deshalb Brigitte Stolz- Willig, Wissenschaftliche Mitarbeiterin des Berliner Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI). Eingeladen vom „Frauenpolitischen Runden Tisch Berlin“, war sie im Juni mit anderen Frauen aus der gesamten Bundesrepublik zusammengekommen, um aus frauenpolitischer Sicht die Frage zu diskutieren, ob der Arbeitsplatz Privathaushalt eine Arbeitsmarktperspektive für Frauen bildet.

Einig waren sich die Teilnehmerinnen darüber, daß man in Anbetracht der 1,87 Millionen arbeitslosen Frauen in Deutschland diesen Arbeitsmarktbereich nicht einfach aus ideologischen Gründen ablehnen dürfe. Auch dann nicht, wenn die Gefahren der modernen Dienstleistungspools auf der Hand liegen. Die bestehen nämlich darin, daß alle Dienstleistungen privatisiert werden, kommunale Träger, etwa für die Kinderbetreuung, ganz verschwinden und solche Leistungen nur noch für einige wenige zu bezahlen sind. Außerdem drohe eine gefährliche Abgrenzung zu den Ausländerinnen ohne Arbeitserlaubnis, wenn die Agenturen in Zukunft „qualifizierte deutsche Haushaltshilfen“ anbieten.

Das Dilemma war schnell erkannt. „Die Hausarbeitsteilung zwischen Mann und Frau ist eine Utopie geblieben, deshalb lassen Frauen heute Frauen putzen“, formulierte es Ingeborg Wick von „Südwind“, dem Institut für Ökonomie und Ökumene in Siegburg. Dabei „wollen die Frauen diese Putzjobs eigentlich nicht“, weiß Petra Bratzke vom DGB-Sachsen- Anhalt aus Umfragen, auch wenn die Regierung immer wieder behaupte, „Frauen wollen putzen“. Nach wie vor landen sie in diesen Jobs, weil sie durch Familie und Haushalt oft jahrelang aus dem Berufsleben raus sind und keine Wiedereinstiegsmöglichkeiten haben. Zwar steigen die einst von der Frauenbewegung geforderten Teilzeitstellen für Frauen, jedoch mit der Konsequenz, daß die Vollzeitstellen sinken. Unterm Strich ist insgesamt ein Rückgang weiblicher Erwerbsarbeit zu verzeichnen. „Was haben wir eigentlich gewonnen, außer uns die Diskussion um die Dienstleistungsstrukturen und die Arbeitszeitverkürzungen aus der Hand genommen lassen zu haben?“ fragte Brigitte Stolz- Willig.

Aus frauenpolitischer Sicht hilft nur ein Weg aus dieser Krise: die radikale Reduzierung der Erwerbsarbeit und die gnadenlose Teilung der Privatarbeit. Jede und jeder arbeitet 25 Stunden in seinem Beruf und zu Hause. Und zudem müsse weiterhin für Ausländerinnen ein eigenständiges Aufenthaltsrecht gefordert werden, um auch ihnen andere Berufe zu ermöglichen. Das Beschäftigungsprogramm der Bundesregierung habe letztendlich ideologische Symbolwirkung, meint Christina Klemmer vom WSI: „Die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung wird heiliggesprochen, der Vereinigung von Familie und Arbeit wird der Weg endgültig verbaut und die gesellschaftliche Spaltung vorangetrieben.“