Die Insel ist wieder menschenleer

Der türkisch-griechische Konflikt um die Insel Imia ist auf Vermittlung der USA hin vorläufig beendet. Griechenlands Opposition wettert gegen den „Hochverrat“ der Regierung  ■ Von Niels Kadritzke

Berlin (taz) – Die Krise um das griechische Eiland Imia wurde nach einer nächtlichen Vermittlungsrunde durch den US-Krisenmanager Richard Holbrooke vorläufig entschärft. Die Marineeinheiten Griechenlands und der Türkei zogen gestern aus den Gewässern östlich der Dodekanes-Insel Kalymnos ab. Bei einem nächtlichen Kontrollflug war ein griechischer Hubschrauber abgestürzt, wobei die drei Besatzungsmitglieder getötet wurden.

Das Ergebnis der Holbrooke- Vermittlung läßt eine wichtige Frage offen. Sowohl in Ankara wie in Athen wurde dementiert, daß man sich zur Entfernung der Fahnen verpflichtet habe. Genau das aber scheint die ausgehandelte „Rückkehr zum Status quo ante“ zu beinhalten. Griechenlands Ministerpräsident Kostas Simitis mußte vor dem Athener Parlament auf Fragen der Opposition hin jedoch einräumen, daß die griechischen Soldaten ihre Fahnen mitgenommen haben. Als wesentliches Ergebnis der jetzigen Vereinbarung strich er heraus, daß die griechischen Rechte voll gewahrt und auch nicht Gegenstand von Verhandlungen mit der Türkei geworden seien.

Der Rückzug der griechischen Fahne wurde von der konservativen Nea Dimokratia und der Partei des nationalistischen Ex-Außenministers Samaras als „Hochverrat“ bezeichnet. Daraufhin hat sich die Regierung am Abend einer Vertrauensabstimmung im Parlament gestellt, die sie allerdings überstanden haben dürfte.

In Athen wird die US-amerikanische Vermittlung mit einem lachenden und einem weinenden Auge gesehen. Ausschlaggebend für das US-Engagement war der Ehrgeiz der Clinton-Administration, noch im Februar eine Zypern- Verhandlungsrunde von Richard Holbrooke in Gang zu bringen. Den Zusammenhang mit Zypern hat auch das türkische Militär signalisiert, das letzte Woche seine Panzertruppen im Norden der Insel verstärkte.

In Ankara wird betont, die Türkei sei aus der Krise „siegreich hervorgegangen“. Damit wird der Abzug einer griechischen Flagge als Sieg gefeiert, der aber keinerlei völkerrechtliche Bedeutung hat. Inoffiziell berufen sich türkische Kreise bei ihrem Anspruch auf die Insel Imia auf den Vertrag von Lausanne von 1923, der sich allerdings gar nicht auf die damals italienisch verwaltete Inselgruppe Dodekanes bezieht.