Selbstdarstellung eines Selbstbetrügers

In einem Brief an den NDR-Mitbegründer Axel Eggebrecht schrieb Peter Grubbe/Claus Volkmann 1990 über sein Wirken als Kreishauptmann von Kolomea, wo 30.000 Juden umkamen  ■ Von Philipp Maußhardt

Als der Krieg zu Ende war, begann für den NS-Kreishauptmann von Kolomea, Claus Peter Volkmann, ein neues Leben als Journalist. Unter dem Pseudonym Peter Grubbe schrieb er engagierte Reportagen für Rundfunk und Zeitschriften. Davor war er als Chef des Judenghettos mitverantwortlich für den Tod von 30.000 Juden. Im September 1995 deckte die taz das Doppelleben von Volkmann/ Grubbe auf.

Grubbe, Mitglied im Beirat der „Gesellschaft für bedrohte Völker“ und im Kampf gegen Unterdrückung und Elend immer ganz vorne dabei, war im Nachkriegsdeutschland eine moralische Instanz. Wer aber wußte von der wahren Vergangenheit dieses linksliberalen Journalisten? Sein Chef beim Stern, Henri Nannen, bestreitet, von „Verfehlungen“ seines Redakteurs gewußt zu haben. Aber kannte er dessen wahren Namen und dessen Funktion als Ghetto-Chef?

Einer der Duzfreunde von Grubbe war der bekannte deutsche Journalist und Mitbegründer des Norddeutschen Rundfunks, Axel Eggebrecht. Eggebrecht saß als radikaler Gegner der Nazis einige Monate im Konzentrationslager Hainewalde. Durch einen Aufsatz in der DDR-Literaturzeitschrift Sinn und Form, veröffentlicht 1989, erfuhr Eggebrecht zum ersten Mal etwas über die Vergangenheit Grubbes. Der DDR- Schriftsteller Werner Steinberg hatte in der Zeitschrift auf dessen Doppelleben hingewiesen.

Im August 1990 – wenige Monate vor seinem Tod – forderte Eggebrecht seinen Freund auf, Stellung zu den Vorwürfen zu nehmen. Auf vier Schreibmaschinenseiten antwortete Grubbe ausweichend und teilweise unwahr und setzt sich gar als Helfer der Juden in ein falsches Licht. Seinen Ankläger Steinberg verleumdet er als „Fanatiker“, als Nazi und als Stasimitarbeiter.

Grubbe verschweigt, daß Steinberg vier Jahre lang unter den Nazis im Gefängnis saß, weil er Flugblätter gegen den Terror verteilt hatte. Die taz, der der Brief aus Eggebrechts Nachlaß seit gestern vorliegt, bringt einen Auszug aus der Selbstdarstellung des Selbstbetrügers:

„Daß ich ins Generalgouvernement ging, war ohne Zweifel ein Fehler. Ich habe in meinem Leben viele Fehler gemacht und war nie ein Held (...) Im Generalgouvernement stieß ich auf einen Kreis, der sich um den späteren Gouverneur in Lemberg, Dr. Ludwig Losacker, gebildet hatte. Mit seiner Hilfe und Rückendeckung haben meinen Mitarbeiter und ich in Kolomea versucht, Juden, Ukrainern und Polen zu helfen, wie dies uns möglich war. Vermutlich war es trotzdem falsch, daß ich dortblieb, nachdem ich gesehen hatte, was dort geschah (...)

Mit den Judenräten wie den polnischen und ukrainischen Bürgermeistern haben wir zusammengearbeitet, um, wie wir damals dachten, nach Möglichkeit das Schlimmste zu verhindern, was sich nachträglich als Illusion herausstellte. Daß die Gestapo immer häufiger solche Ansprechpartner von uns über den Haufen schoß, war einer der Gründe für unsere Auseinandersetzung mit ihr (...)

Von meiner Tätigkeit im Generalgouvernement habe ich in Deutschland nur sehr wenigen Leuten etwas erzählt, weil mich danach nie jemand gefragt hat (...) Ich habe hier einmal mit Paul Sethe und meinem damaligen Verleger Christian Wegener den Plan diskutiert, meine Geschichte als Buch zu veröffentlichen. Ich habe davon Abstand genommen, weil ich nicht wußte – und bis heute nicht weiß – wozu das gut sein könnte. Sollte ich mich irgendwelcher angeblicher Heldentaten rühmen, die keine waren? Oder sollte ich öffentlich Reue bekunden und meine Fehler eingestehen? Was hätte das genützt? (...)

Ich glaube, man kann Fehler nicht „wiedergutmachen“. Ich glaube, man kann nur aus seinen eigenen Fehlern lernen und versuchen, sich das nächste Mal menschlicher zu benehmen. Ich bin nach Kriegsende deshalb nicht Richter geworden, was ich ja von der Ausbildung her eigentlich bin, weil ich meine, wer solche Fehler begangen hat wie ich, dies nicht tun soll und darf (...) Ich habe versucht, Menschen zu helfen, die in Not waren, was ich für wichtiger halte, als öffentlich Reue zu bekunden.“