CIA, KGB und SRI

■ In Rumänien bekommt die oppositionelle Presse Verleumdungsverfahren, Regierungsblätter dürfen alles

Virgil Magureanu, Ex-Professor für Marxismus-Leninismus und heute allmächtiger Chef des rumänischen Geheimdienstes SRI, würde diesen gerne ebenso berühmt-berüchtigt machen wie einst die Securitate des Diktators Ceaușescu. Am vergangenen Mittwoch erlebte er dabei allerdings eine Riesenblamage.

An diesem Tag bespitzelten zwei SRI-Mitarbeiter aus einem Auto heraus eine rumänische Journalistin und ihren Kollegen und filmten sie. Sie wurden ertappt, versuchten dann noch zu flüchten, fuhren dann aber in ihrer Hektik noch einen Fußgänger an. Passanten hielten sie fest und übergaben sie der Polizei. Ihre Behauptung, die Aktion habe sich nicht gegen die Journalistin gerichtet, sondern gegen eine andere Person, wiederholte am nächsten Tag auch der SRI in einer schriftlichen Stellungnahme und kündigte an, die beiden Mitarbeiter würden wegen „mangelnder Professionalität“ zur Rechenschaft gezogen.

Noch am gleichen Abend zeigte pikanterweise ein privater Bukarester Fernsehsender das Filmmaterial der beiden Späher. Darauf war nun aber nicht jene angebliche „andere Person“ zu sehen, sondern fast ausschließlich die Journalistin Tana Ardeleanu.

Vermutlicher Hintergrund der Aktion: Tana Ardeleanu und ihre Zeitung Ziua (Der Tag) hatten einen Skandal um den Staatspräsidenten Ion Iliescu provoziert. Nach Recherchen von Tana Ardeleanu behauptete Ziua in einer mehrteiligen Serie, Iliescu sei während seiner Studienzeit in den 50er Jahren in Moskau KGB-Spitzel gewesen. Außer der namentlichen Nennung zweier Zeugen, die Iliescu damals gekannt haben wollen, blieb die Zeitung jedoch Beweise für ihre Behauptung schuldig. Deshalb wurde auf Initiative von Iliescu gegen sie nun ein Verfahren eingeleitet. Die Anklage lautet auf „Beleidigung von Autoritäten“.

Von exemplarischer Komik ist dabei, daß der Ziua-Direktor Sorin Rosça Stanescu, ein eingeschworener Feind Iliescus, selbst nachweislich Securitate-Spitzel war. Allerdings gehört es zur gängigen Praxis der rumänischen Presse jeglicher politischer Couleur, öffentliche Personen der Zusammenarbeit mit der ehemaligen Securitate oder ausländischen Geheimdiensten zu bezichtigen, vorzugsweise KGB und CIA. Die Beweise sind zumeist dürftig oder fehlen völlig, das Motiv, das hinter der Anschuldigung steckt, liegt oft in persönlicher Feindschaft oder politischen Intrigen.

Für eine Satire zusammengeschlagen

Exemplarisch ist im „Fall Ziua“ aber noch mehr: Bespitzelt und angeklagt wurde die Zeitung in Wirklichkeit wohl kaum wegen ihrer unbewiesenen Behauptungen. Daß es eigentlich um ihre Kritik an der Regierung geht, legen jedenfalls die Erfahrungen nahe, die zahlreiche andere Journalisten und Publizisten in den vergangenen fünf Jahren gemacht haben, sobald sie die Staatsmacht oder den Staatspräsidenten kritisierten.

Mitunter ging es dabei geradezu krimimäßig zu: Ende 1993 hatte der Journalist Nicolae Andrei eine Satire auf den Staatspräsidenten geschrieben. Kurz darauf wurden seine Wohnung und sein Auto beschädigt, er selbst nachts auf der Straße zusammengeschlagen und wenig später auch noch inhaftiert – obwohl nicht einmal eine Anzeige Iliescus vorlag.

Umgekehrt müssen regierungsnahe oder -treue Medien nicht mit Gerichtsverfahren rechnen, wenn sie Verleumdungen verbreiten oder Spitzelszenarien entwerfen. Klagen oppositioneller Politiker, die von derartigen Anschuldigungen betroffen sind, versanden regelmäßig im Justizapparat. Bestes Beispiel dafür ist Corneliu Vadim Tudor, Chef des antisemitischen Hetzblattes Großrumänien und Vorsitzender der gleichnamigen neofaschistischen Partei. Zielscheibe seiner wüsten Attacken sind vor allem Oppositions-, zuweilen aber auch Regierungspolitiker.

Kaum eines seiner Opfer entgeht dem Vorwurf, im Auftrag irgend welcher ausländischer Geheimdienste Rumänien zerstören zu wollen.

Sogar im Staatsfernsehen darf Tudor dies regelmäßig behaupten, ohne daß er rechtliche Konsequenzen fürchten muß. Denn seine Partei dient neben anderen nationalistischen Parteien im Parlament als Mehrheitsbeschafferin für Iliescus regierende „Partei der sozialen Demokratie“.

Tudor macht auch derzeit wieder Schlagzeilen, und zwar ähnlich wie im Fall Ziua. Sein Blatt Großrumänien veröffentlichte vor kurzem einen anonymen Brief, in dem der Staatspräsident Ion Iliescu des „Landesverrats“ beschuldigt wird. Unterzeichner sind angeblich 300 Offiziere, die gegen Personalabbau in der Armee und die Verringerung der Rüstungsproduktion protestieren. Der Brief schlug in Rumänien ähnlich hohe Wellen wie die Ziua-Behauptungen. Mit einem Unterschied: Bisher wurde gegen Tudors Blatt kein Verfahren eingeleitet. Keno Verseck, Bukarest