Bundesrat will mehr entlasten und sparen

■ Beim Jahressteuergesetz 1996 werden die Fronten abgesteckt / SPD uneins

Berlin (taz) – Ring frei für den Vermittlungsausschuß. Sowohl Bundestag wie Bundesrat werden sich am heutigen Freitag noch einmal grundsätzlich mit dem Jahressteuergesetz 1996 beschäftigen und ihre Verhandlungspositionen abstecken. Der Bundesrat wird dabei wohl weitgehend die Position der SPD-Bundestagsfraktion übernehmen, obwohl einige sozialdemokratische LandesfürstInnen im Vorfeld bereits aus der Linie ausgeschert waren.

Gerhard Schröder (Niedersachsen) etwa sprach von „immer neuen unfinanzierbaren Wohltaten“, Heide Simonis (Schleswig- Holstein) forderte die SPD sogar auf zuzugeben, „daß wir uns verrechnet haben“. Umstritten ist zwischen Bund und Ländern vor allem die Ausgestaltung der beiden noch verbliebenen Hauptelemente des Jahressteuergesetzes, des „Familienlastenausgleichs“ und der vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) geforderten steuerrechtlichen Freistellung des Existenzminimums.

In der Familienpolitik haben sich die Koalitionsfraktionen bereits deutlich auf die SPD zubewegt und inzwischen auch eine deutliche Kindergelderhöhung im Programm. Je 200 Mark für das erste und zweite Kind, 300 Mark für das dritte Kind und 350 Mark für jedes weitere Kind will die CDU- FDP-Regierungsmehrheit gewähren. Alternativ hierzu kann aber auch ein von 4.104 Mark auf 6.264 Mark pro Jahr erhöhter Kinderfreibetrag gewählt werden. Es wird vermutet, daß diese Lösung für rund fünf Prozent „Besserverdienende“ lukrativ sein könnte. Der Bundesrat hingegen fordert 250 Mark für die ersten drei Kinder und danach 350 Mark für jedes weitere. Den Kinderfreibetrag in der Einkommenssteuer will er ganz abschaffen. Diese SPD-Lösung dürfte um acht Milliarden teurer sein als der Koalitionsentwurf.

Mehr gewähren will die SPD auch bei der steuerlichen Freistellung des Existenzminimus. Während die Koalition die Steuerpflicht schon bei einem Jahreseinkommen von 12.095 Mark für Alleinstehende und 24.181 Mark für Verheiratete beginnen lassen will, sieht die SPD damit noch nicht die Vorgaben des BVerfG erfüllt. Um neue Verfassungsbeschwerden zu verhindern, soll das steuerliche Existenzminimum auf 13.000 respektive 26.000 Mark angehoben werden. Auch hier würde die SPD Tarifausfälle von mehr als 4,5 Milliarden Mark in Kauf nehmen.

Interessant ist deshalb, daß die Länder unter dem Strich die Entlastung für die Steuerpflichtigen geringer halten wollen als der Bund. Im Parlamentsentwurf ist eine Gesamtentlastung in Höhe von 22,5 Milliarden Mark für das Jahr 1996 vorgesehen, der Bundesrat fordert dagegen eine Beschränkung der Entlastung auf nur zehn bis zwölf Milliarden Mark. Die fehlenden Gelder sollen auf drei Wegen aufgebracht werden. Zum einen soll eine „maßvolle“ Kappung des Ehegattensplittings rund drei bis vier Milliarden Mark einsparen. Die Streichung zahlreicher Steuervergünstigungen, etwa für Arbeitszimmer oder privat genutzte Dienst-PkW, könnte nach Ansicht des Bundesrates weitere 14 Milliarden Mark einbringen. Drittes Element soll auf Druck des saarländischen Ministerpräsidenten Oskar Lafontaine (SPD) mit einem Aufkommen von fünf bis acht Milliarden Mark der Einstieg in die Öko-Steuer-Reform sein. Gerade hier sind die Einzelheiten aber noch völlig unklar.

Die Reform und teilweise Abschaffung der Gewerbesteuer steht derzeit offiziell nicht mehr im Jahressteuergesetz, nachdem sich die SPD Mitte Mai der hierfür erforderlichen Grundgesetzänderung verweigert hatte. Zwar bot die Koalition den Gemeinden eine Beteiligung an der Umsatzsteuer an, die SPD fordert jedoch langfristige Garantien für das Finanzaufkommen der Kommunen. Die Koalition will weiter mit der SPD verhandeln. Christian Rath