■ Das Portrait
: Der Transparentträger

Am 8. Mai 1944 steckten die Nazis Martin Löwenberg in das Konzentrationslager Flossenbürg. „Fremdarbeiterbegünstigung“ lautete das Urteil. Löwenberg hatte Zwangsarbeiter mit Nahrungsmitteln und Nachrichten über den Frontverlauf versorgt. „Sie sollten Mut zum Durchhalten bekommen.“ Löwenberg durchlief verschiedene Außenlager, mußte im Erzbergbau arbeiten und wurde schließlich am 7. Mai 1945 von den Amerikanern befreit.

„Nie wieder Faschismus“ schwor er sich damals und engagierte sich in der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“. Seitdem arbeitet der heute 70jährige gegen das Vergessen und Verdrängen – und wird immer wieder aufs neue überrascht.

Dieses Mal von der Staatsanwaltschaft beim Münchner Landgericht II. Nach deren Auffassung hat sich der ehemalige KZ-Häftling ausgerechnet während der Gedenkfeier zum 50. Jahrestag der Befreiung des KZs Dachau der „üblen Nachrede“ strafbar gemacht – zu ahnden mit Geldstrafe oder bis zu zwei Jahren Gefängnis.

Zusammen mit einer kleinen Schar von Demonstranten hatte Löwenberg dort ein Transparent entrollt: „Die Täter haben Namen: BMW, Siemens, BASF, Deutsche Bank, Daimler-Benz, Dresdner Bank, Bayer, VW.“ Kaum war das Spruchband enthüllt, rissen Polizisten das Transparent herunter. Ermittlungen wegen „übler Nachrede“ wurden eingeleitet, obwohl keine der genannten Firmen einen Strafantrag gestellt hatte.

Schützenhilfe bekam Löwenberg vom Ermittlungsrichter, dem Dachauer Amtsgerichtsdirektor Zausinger. Der lehnte die richterliche Bestätigung der Beschlagnahme ab. Es sei eine „geschichtliche Tatsache, daß Großfirmen während des Dritten Reiches Häftlinge der Konzentrationslager als Arbeitskräfte beschäftigten“, so Zausinger. Der Leitende Martin LöwenbergFoto: taz-Archiv

Oberstaatsanwalt beim Landgericht München II, Hubert Vollmann, ließ sich von solch richterlicher Schelte jedoch überhaupt nicht beeindrucken. Er klapperte – ohne Erfolg – die genannten Firmen ab, um im nachhinein einen Strafantrag zu bekommen, und legte Beschwerde gegen den Richterspruch aus Dachau ein.

Nachdem das Landgericht München II nun die Beschwerde des Oberstaatsanwalts verworfen hat, hat man sich im bayerischen Justizministerium dazu durchgerungen, die Peinlichkeit zu beenden. Das Verfahren gegen Löwenberg wurde eingestellt. Bernd Siegler