■ Vom Nachttisch geräumt
: KÖRPER

Ein Bildband, den man mit ins Bett nehmen kann. Einer, den man nicht nur durchblättert, sondern sogar über weite Strecken gerne liest. William A. Ewings führt die „Faszination Körper“ an mehr als 300 Fotos vor. Aus allen Bereichen. Zellen der Augenlinse, aufgenommen mit dem Rasterelektronenmikroskop, Leni Riefenstahls Sportlerfotos, Dieter Appelts makabre Selbstdarstellungen, Cindy Shermans kunstvolle Zitate des Blicks der amerikanischen B-Pictures fehlen ebenso wenig wie grausige Fotos anonymer Fotografen eines jungen Filipinos, dem zwei zusätzliche Beine aus der Hüfte wachsen, oder jenes eines beleibten Mannes ohne Beine und ohne Arme. Natürlich gibt es jede Menge Aktaufnahmen. Die Makart-Gemälde nachstellenden der Jahrhundertwende oder Raoul Hausmanns Courbet- Zitat aus den frühen 30er Jahren. Sally Manns erotisch aufgeladene Fotos ihrer Kinder sind vertreten. Es fehlt nur das rein Pornographische. Ewing hat den Band raffiniert zusammengestellt. Er hat Sinn für Komik. Pierre Molinier stellte ganze Serien von Frauenfotos her, bei denen nicht mehr auszumachen ist, welches Bein wen umarmt. Die Frauen verschmelzen zu einem einzigen Lebewesen. Eine erschreckende Perspektive.

Neben Molinier hat Ewing ein Foto der Athletic Model Guild gestellt. Zwei unauflöslich ineinander verhakte Ringer. Moliniers Schrecken erscheint daneben als eine sehr private Obsession. Offenbar konnte man sich Verschmelzungswünschen auch weitgehend angstfrei widmen. Ewing geht auch die unfreiwillige Komik nicht ab. Er schreibt zu dem Foto der beiden ineinandergefügten Athleten: „Motive wie der Ringkampf waren ein Mittel zur Legitimierung körperlicher Intimität. Die eingeölten Körper ließen jedoch keinen Zweifel daran, daß sie Objekte der Begierde waren.“ Dann setzt er in der Anmerkung noch eins drauf: „Zu großem Dank bin ich Vince Aletti aus New York verpflichtet, sowohl für seinen Rat auf diesem Gebiet als auch für den Zugang zu seiner Sammlung.“

William A. Ewing: „Faszination Körper – Meisterfotografien der menschlichen Gestalt“. Edition Leipzig, Leipzig, aus dem Englischen von Wolf Jahn, 35 Farbabbildungen, 331 in Duotone, 432 Seiten, 58 DM.