■ Press-Schlag
: „Mein Name ist Haas“

Jahreshauptversammlung beim gerade abgestiegenen Fußball-Bundesligisten 1. FC Nürnberg. 57 Prozent der erschienenen 918 Mitglieder plädierten gegen einen Mittelweg und für einen völligen Neuanfang. Das müßte reichen, sollte man meinen. Doch am Ende der über vierstündigen turbulenten Versammlung konnte sich der anfangs ausgepfiffene alte Interimspräsident Georg Haas als neuer Präsident feiern lassen.

Vielleicht lag es daran, daß ausgerechnet Bild-Zeitungsreporter Paul Hertrich – auf der Suche nach seiner Exklusivstory – den Antrag stellte, einen kompletten Neuanfang zu wagen. Er forderte den Rücktritt des alten Präsidiums und die Einsetzung eines Notvorstands bis zur ordentlichen Mitgliederversammlung im Oktober. Ein durchaus sinnvolles Anliegen nach Schuldenrekorden, Schiedsrichter- Affären, schwarzen Kassen, dubiosen Verträgen, Trainerentlassungen und einem Ex- Schatzmeister, der wegen Veruntreuung von Vereinsgeldern seit Juli letzten Jahres in U-Haft sitzt.

Ein durchaus sinnvolles Anliegen auch angesichts der beiden zur Verfügung gestandenen Präsidentenkandidaten Georg Haas und Gisbert Sattler. Haas hatte immerhin Seite an Seite mit Ex-Präsident Gerhard Voack die Mißwirtschaft beim einst ruhmreichen „Club“ mitbetrieben. Als klar wurde, daß der Schuldenberg immer noch 23 Millionen betrug, warf Napoleon-Verschnitt Voack vor vier Monaten das Handtuch, und der 62jährige Rentner Haas („ich bin ein Cluberer“) übernahm das Kommando. Am Ende seiner Bilanz stand jedoch der Abstieg.

Der andere, Gisbert Sattler, Unternehmer aus Kulmbach, lieferte am Dienstag abend eine äußerst fahrige, nervöse Vorstellung. Mit Binsenweisheiten („wer 100 Mark in der Tasche hat, kann keine 200 ausgeben“) versuchte er sich als Vereinssanierer anzudienen. Kurzfristig könnte er gar mit stattlichen Summen dem Club aushelfen, hatte er im Vorfeld zum besten gegeben. Das wollten aber die Mitglieder („wir wurden seit Jahren betrogen und belogen“) nun überhaupt nicht mehr hören. Von den Ex-Präsidenten Roth (Teppichhändler), Schmelzer (Immobilienhändler) und Voack (Baumarkt-Betreiber) wurden sie immer wieder in der Vergangenheit mit Millionen geködert. Letztendlich stieg der Schuldenberg des Vereins aber ebenso kontinuierlich wie der sportliche Niedergang.

Daß ausgerechnet Roth vom Bild-Reporter zum Notvorstand vorgesehen war, brach dem Antrag für einen Neuanfang von Beginn an die Spitze. Ein übriges tat die Tagesordnung. Nicht ungeschickt hatte das amtierende Präsidium den Punkt „Anträge“ dort überhaupt nicht vorgesehen. So benötigte jeder Antrag eine qualifizierte Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen. Die 57 Prozent reichten also nicht.

Während die Spieler des 1. FC Nürnberg das taten, was sie den größten Teil der Saison unterließen, nämlich Tore schießen (sie gewannen bei einem Freundschaftsspiel gegen einen A-Klasse-Verein mit 17:1), mühte sich Georg Haas, mit schneidender Stimme den kritischen Fragen zu begegnen. Warum wurde Andy Köpke, immerhin Nationaltorwart, für Eintracht Frankfurt zum Schnäppchen? Warum muß jetzt der 1. FCN für 400.000 Mark für Köpke geradestehen, die eigentlich Ex-Präsident Voack dem Torwart als zusätzliche Werbeeinnahmen für dessen Auftritte in seiner Baumarkt-Kette vorgesehen hatte? Glaubhaft legte Haas dar, was einer Demontage des Nürnberger Idols Köpke gleichkam. Bei seinen Vertragsverhandlungen habe Köpke hoch gepokert, wohl wissend, daß der Club seinen Sympathieträger wohl kaum ziehen lassen werde. Aus Angst vor der Wut der Fans im Falle eines Köpke-Verkaufs wurde die Ablösesumme für den Torwart wie von ihm gefordert eben auf die magere eine Million festgeschrieben. Damit kann man nun nicht einmal die fälligen Schuldzinsen (pro Jahr 1,72 Millionen Mark) abdecken.

Von den Buttons „Mein Name ist ,Haas‘, ich weiß von nichts“ ließ sich Interimspräsident Haas an diesem Abend nicht beeindrucken. Der Rentner war einfach das kleinere Übel. Die Mehrheit freute sich, daß endlich ein „echter Cluberer“ an der Führungsspitze steht, der seine geschäftlichen Privatinteressen nicht mit den Vereinsinteressen verquicken kann. Denn eines hat Haas auf keinen Fall: Er hat keine Millionen. Und er ist, völlig neu für die Führungsetage des 1. FCN, selbstkritisch: „Ich bin nicht der Idealtyp eines Präsidenten.“ Bernd Siegler