Einer für alle, alle für einen

■ Mit der „Sicherheitswacht“ propagiert Bayerns Innenminister Beckstein einen Wertewandel im Bemühen um mehr Sicherheit

„Aus der Unkultur des Wegsehens muß wieder eine Kultur des Hinsehens werden.“ Bayerns Innenminister Beckstein (CSU) ist davon überzeugt, daß man der wachsenden Kriminalität nur auf „neuen, unkonventionellen Wegen“ Herr werden könne. Deshalb schickt er seit zwei Wochen in den Städten Nürnberg, Ingolstadt und Deggendorf für ein halbes Jahr auf Probe Sicherheitswächter auf Streife. 36 BewerberInnen, darunter zehn Frauen und vier ausländische Bürger, überstanden die strenge Auswahl. „Keine Chance für Extremisten“, hatte Beckstein die Devise ausgegeben, um Kritikern der Sicherheitswacht den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Genau zu dem Zeitpunkt, als Ministerpräsident Edmund Stoiber zusammen mit Beckstein die Sicherheitswacht konzipierte, war die Berliner „Freiwillige Polizeireserve“ (FPR) wegen rechtsextremer und krimineller Mitglieder in die Schlagzeilen geraten. Deswegen überließ Beckstein die letztendliche Auswahl der Bewerber der örtlichen Polizei. „Die kennt ihre Pappenheimer und hat die Aufgabe, unerwünschte Personen nicht aufzunehmen.“ Beckstein betont, daß er keine Bürgerwehren wolle. Im Gegensatz zur FPR in Berlin leiste die Sicherheitswacht „einen Dienst zusätzlich und nicht anstelle der Polizei“. Deshalb bekommen die Sicherheitswächter weder Uniform noch Waffe. Ausgerüstet mit Armbinde, Funkgerät und Reizgasspray, sollen sie in Parkanlagen sowie in der Umgebung von Haltestellen öffentlicher Verkehrsmittel und von Flüchtlingswohnheimen patrouillieren. Auch ihre Befugnisse liegen erheblich unter denen der Polizei. Die „Schutzengel mit grüner Armbinde“ (Innenstaatssekretär Regensburger), dürfen nur Zeugen befragen und die Identität von Personen feststellen. Sie dürfen auch eine Person festhalten, bis die Polizei eintrifft, dabei aber „über die Anwendung einfacher körperlicher Gewalt nicht hinausgehen“.

Mit seiner Sicherheitswacht will Beckstein vor allem das Bewußtsein vermitteln, daß „jeder für die Gewährleistung der Inneren Sicherheit Mitverantwortung“ trage. Die Polizei dürfe nicht allein gelassen werden, nur gemeinsam könne man der „wachsenden Gefährdung der Inneren Sicherheit wirksam begegnen“. „Gemeinschaft macht stark!“

Dieser propagierte Wertewandel im Bemühen um mehr Sicherheit stößt auf Kritik. Der Beamtenbund und der Bayerische Städtetag hegen verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Übertragung hoheitlicher Befugnisse auf Freiwillige. SPD und Grüne sprechen von „Möchtegern-Sheriffs in Abendkursen“, die Gewerkschaft der Polizei von einer „Bankrotterklärung für die Innere Sicherheit“. Auch die zuständigen Polizeiführungskräfte waren nicht begeistert. Josef Lindner, Polizeihauptkommissar im niederbayerischen Deggendorf, verglich die Sicherheitswacht mit einem „unerwünschten Kind“. Daß „da nicht jeder ,halleluja!‘ schreit“, sei doch klar. Bernd Siegler