Perverse Praktiken

■ Erlanger Verein "Bürger fragen Journalisten" munitionoiert CSU und Klerus im Lizenzentzugsverfahren gegen "Radio Z"

„Das Maß ist voll“, zeterte CSU-Generalsekretär Erwin Huber in der Medienratssitzung der Bayerischen Landeszentrale für Neue Medien (BLM). Innenstaatssekretär Hermann Regensburger, auch CSU, zögerte keine Sekunde länger und beantragte, umgehend ein Verfahren zum Lizenzentzug für den alternativen Nürnberger Sender „Radio Z“ wegen „schwerer Jugendgefährdung“ einzuleiten. Entschlossen schnellten da die Finger von CSU-, Klerus-, Vertriebenen- und Bauernvertretern nach oben. Der Anfang vom Ende für „Radio Z“.

Den Erfolg, im entscheidenden Moment das Richtige getan zu haben, kann sich Gustl Huber, Vertreter der Heimatvertriebenen im Medienrat, ans Revers heften. Kaum hatte BLM-Präsident Wolf- Dieter Ring verkündet, daß alle bislang vorgetragenen Vorwürfe gegen den Sender wohl kaum für einen Lizenzentzug taugen, präsentierte Huber den versammelten Medienräten eine neuerliche „Schauergeschichte“ über „Radio Z“. Kurz vor der Sitzung, so Huber geheimnisvoll, sei ihm eine Abschrift der Z-Sendung „Kinderkram“ zugespielt worden. Darin sei den lieben Kleinen Schneewittchen als „geile Alte“ beschrieben worden, die man „bei Gelegenheit mal durchficken“ müßte.

Ob solche Sätze zu einem Sender passen, der angetreten ist, keine rassistischen und sexistischen Inhalte über den Äther zu verbreiten, sei einmal dahingestellt. Kaum jemand wußte aber zu diesem Zeitpunkt, daß die Schneewittchen-Version aus der „Märchenstunde“ von „Onkel Hotte“ im Handel frei erhältlich ist. Sie erfreut sich nicht nur zur besten Kindersendezeit in dem von 55 Zeitungsverlegern getragenen norddeutschen Privatradio „ffn“ größter Beliebtheit, auch im sauberen Bayernland liefen die Märchen beim Münchner „Radio Xanadu“ unbeanstandet. Gleichwohl war das „Schneewittchen“ in Nürnberg der Tropfen, der das Faß „Radio Z“ zum Überlaufen brachte.

Der Ärger mit „Z“ ist älter als der Sender selbst. Schon den Sendestart mußte sich das nichtkommerzielle Mitgliederradio vor sechs Jahren über die Gerichte erstreiten. Bereits damals witterten CSU und Klerus insbesondere bei einem von Homosexuellen gemachten Programmteil Jugendgefährdung. In der Folge erhielt „Z“ aber nicht nur den Frauenförderpreis der Stadt Nürnberg, selbst die BLM zeichnete eine Z-Kolportage über die berauschende Wirkung von Weihrauch aus. BLM-Chef Wolf-Dieter Ring lobte den Sender wegen seines großen Wortanteils, während andere Privatsender längst zum Dudelfunk degeneriert seien. Aber Rings Urteil gilt in CSU-Kreisen nicht viel, seit der BLM-Chef verdächtigt wird, Sympathien für kleine, unorthodoxe Sender zu hegen. Genau gegen einen solchen soll jetzt ein Exempel statuiert werden.

Dabei hatten die CSU-Medienräte gute Zuarbeiter. Immer wieder präsentierten sie komplette Abschriften von „Radio Z“-Sendungen. Mal eine Sadomaso-Serie im Schwulenmagazin „Fliederfunk“, dann das Abspielen eines indizierten Liedes oder einen Beitrag über Pädophilie (taz vom 29. 12.93). Auf die Spur gebracht hatte die Medienräte die Erlanger Ärztin Elke Möller-Nehring. Die bat Ende November den Erlanger Verein „Bürger fragen Journalisten“, die „Weiterverbreitung derartiger perverser sadomasochistischer Praktiken Homosexueller“ zu stoppen. Das Sendeprotokoll lieferte sie gleich mit.

Der 1984 gegründete Verein, der laut Satzung gegen „Meinungsmanipulation“ ins Feld zieht, schritt sofort zur Tat. „Mit freundlicher Empfehlung“ schrieb Hansjörg Klein, Vorsitzender des Vereins und im normalen Leben Abteilungsbevollmächtigter für Öffentlichkeitsarbeit der „Kraftwerkunion“ (KWU), an Staatssekretär Herbert Huber (CSU): „Außerdem würde uns interessieren, was Sie als Landtagsabgeordneter zu unternehmen gedenken, um diese eindeutigen Verstöße gegen den Jugendschutz zu ahnden.“

Seit seiner Gründung versucht der Verein, sich als Saubermann der bundesdeutschen Medien zu profilieren. Nein, nicht die Pornos auf RTL und Sat.1 sind dabei in seinem Visier. In der vereinseigenen Zeitung TM (Transparenz der Medien) wettern die Medienbeobachter über vermeintlich linkslastige Magazine wie „Panorama“ oder „Monitor“. Sie plädieren für die Ausstrahlung von Wahlspots rechtsextremer Parteien („der persönliche ideologische Tunnelblick kann kein Kriterium der Informationsübermittlung sein“), versuchen nach Bad Kleinen in einer Anzeigenkampagne das „ohne Not in den Schmutz gezogene Ansehen einer Eliteeinheit unserer Polizei“ wieder aufzupolieren und hetzen gegen die Ausstrahlung der „sexuellen Obsessionen von 13 offensichtlich schwer gestörten Männern und Frauen“ in dem ARD- Dokumentarfilm „Herzfeuer“.

Worum es dem Verein letztlich geht, zeigt Hansjörg Klein in wünschenswerter Offenheit in seinem Editorial in der Septemberausgabe 1993: „Mit geradezu ,rattenhafter Wut‘ führt eine einflußreiche Clique von Publizisten, denen die sozialistische Utopie verlorengegangen ist, einen psychologischen Feldzug gegen das eigene Volk. Diese ,Inländerfeinde‘ ... sind die eigentlichen Brandstifter.“

TM hat Gewicht, die Auflage von 12.000 Exemplaren wird gezielt gestreut. 2.700 gehen monatlich an Bundes- und Landtagsabgeordnete, 1.500 an leitende Angestellte aus Industrie und Wirtschaft und 700 an Rundfunk- und Fernsehräte – natürlich auch an die Medienräte der BLM. Obwohl „Radio Z“ die komplette „Fliederfunk“-Redaktion entlassen und den „Kinderkram“-Redakteur abgemahnt hatte, wollen die Medienräte aus CSU und Klerus jetzt „Flagge“ zeigen. Lediglich der grüne Medienrat Claus Haupt sprach sich gegen einen Lizenzentzug aus. Die „Z“-Funker selbst haben noch Gelegenheit zur Stellungnahme, bevor der Medienrat am 17. März erneut zusammentritt. Dann wird „Z“ wohl wieder am Ausgangspunkt angelangt sein: die Gerichte sind dann am Zug. Bernd Siegler