Matthäus getunnelt – Entenmann geschaßt?

■ 1. FC Nürnberg – Bayern München 2:0 / Club-Präsident sägt am Trainerstuhl

Nürnberg (taz) – Das muß man sich mal vorstellen: Da ziehen die abstiegsbedrohten Nürnberger vor ausverkauftem Haus der Münchner Startruppe die Lederhosen aus und dann steht der Trainer der siegreichen Elf zur Disposition. Das kann es nur in Nürnberg geben. Doch der Reihe nach.

Der FC Bayern ist kaum im Uefa-Cup gegen Norwich gescheitert, da kündigt Manager Uli Hoeneß an, nun werde man sich an der Bundesliga schadlos halten. Zuerst sei der 1. FC Nürnberg an der Reihe. Dessen Präsident, ein Mann namens Gerhard Voack, Chef einer Baumarktgruppe, dessen Herz auf der rechten Seite (CSU) schlägt, stilisiert das 158. Derby mit dem Erzrivalen zum „Spiel des Jahres“ hoch. Bayern- Trainer Erich Ribbeck macht seine Mannen heiß mit dem „Haß, der uns in Nürnberg immer entgegenschlägt“, und Club-Trainer Willi Entenmann nennt die Begegnung eine „Herausforderung pur, mehr als nur ein Spiel“. Auf der Haupttribüne geben sich Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) und Nürnbergs Oberbürgermeister Peter Schönlein (SPD) gleichermaßen die Ehre, und beide werden gnadenlos ausgepfiffen.

Vom Anstoß weg spielen die Münchner gefällig, verschaffen sich eine optische Überlegenheit. Mehr aber auch nicht. Sie schieben sich den Ball zu, von links nach rechts und wieder zurück, von Helmer über Matthäus zu Wouters und wieder zurück. „Kontrolliertes Spiel“, goutieren die Fachleute und wundern sich ob der defensiven Einstellung der Heimmannschaft. Aber bereits in den ersten dahinplätschernden zwanzig Minuten deutet sich an, daß der 1. FCN das Spiel über die Zweikämpfe gewinnen will. Und siehe da, die Stars wie Helmer, Matthäus, Wouters, Scholl und Ziege haben das gar nicht so gerne, wenn man ihnen auf den Füßen steht. Und dann gibt es ja noch einen Sergio Zarate, der in der 23. Minute einen Sololauf hinlegt, sein Schuß wird abgeblockt, den Nachschuß kann Bayern-Keeper Aumann nur abklatschen und André Golke hat keine Mühe, ins leere Tor einzuköpfen. 1:0 für den Außenseiter. Ein Blackout der Bayern-Abwehr sichert in der 50. Minute dem 1. FC Nürnberg den Sieg. Eine Ecke von Alain Sutter köpft Kay Friedmann ungestört Richtung Tor. Neuzugang Jörg Criens hält die Hacke hin, so daß der Ball – wie peinlich – zwischen Aumanns Beinen hindurch ins Tor zum 2:0 kullert.

In den letzten drei Heimspielen erzielte der 1. FCN 6:0 Punkte mit 10:0 Toren. Ein Grund zum Feiern, sollte man meinen. Doch erstaunt reibt sich der Berichterstatter die Augen und traut seinen Ohren nicht. Sitzt da nicht ein mißmutig dreinschauender FCN-Präsident bei der Pressekonferenz? Und was ist mit dem Trainer? Er lobt zwar seine Mannschaft, daß sie „über sich hinausgewachsen“ sei, aber auch er macht nach dem von ihm „phantastisch“ genannten Spiel keineswegs einen gelösten Eindruck. „Manche, die hier sitzen, würden eine Niederlage in Kauf nehmen, bloß daß Handlungsbedarf gegen meine Person besteht. Es geht in erster Linie um die Mannschaft und nicht um meine Person“, spricht der wackere Schwabe Entenmann und verabschiedet sich.

Zurück bleibt ein säuerlich dreinblickender Voack, der in bester Heimwerkermanier am Stuhl des Trainers weitersägt. In einer internen Sitzung will er heute über die „weitere Basis einer Zusammenarbeit mit Herrn Entenmann“ reden. Eingeladen ist Willi Entenmann dazu nicht. So will auch Voack nicht dementieren, daß das Ergebnis wohl schon vorher feststeht. Worum es ihm geht? „Herr Entenmann hat nicht zu bestimmen, wer beim Club das Sagen hat.“ Nein, bestimmen will der vom Heimwerker zum CSU-Provinzfürsten aufgestiegene Voack ganz alleine, und da ist ihm anscheinend jedes Mittel recht.

Nachdem die Mannschaft steht und der kalkulierte Zuschauerschnitt schon beinahe erreicht ist, kann sich Voack ausrechnen, daß man sich trotz angespannter Finanzsituation und 17 Millionen DM Schulden einen Trainerwechsel schon leisten könnte. Entenmann spricht von einer „gezielten Kampagne“ gegen ihn, aber man solle doch jetzt den „Sieg über Bayern genießen“. Wer kann das noch in Nürnberg? Bernd Siegler