Höhere gesellschaftliche Akzeptanz

■ Das zweitägige "Metrobeat"-Festival mit Diskussionen, "Medienforum" und natürlich Auftritten Berliner Bands

Ist es nicht schrecklich, an allem herumzukritteln? Immer ein Haar in der Suppe zu finden und dann so zu tun, als sei es eine Perücke. Aber so sind sie, die Journalisten. Mit nichts zufrieden. „Hassen die Berliner Medien die Berliner Szene?“ lautete eine Publikumsfrage beim ersten Metrobeat-Festival am Wochenende. Zu der Podiumsdiskussion in der Kulturbrauerei Prenzlauer Berg, die etwas zu vielversprechend als „Berliner Medienforum“ daherkam, waren acht Berliner Musikjournalisten von sieben verschiedenen Medien eingeladen worden.

„Genau für solche Fragen könnte man die Berliner Szene, so man denn überhaupt von einer sprechen kann, hassen“, so Tagesspiegel-Stadtszene-Redakteur Ralph Geisenhanslüke auf obige Frage. Dann aber trotzdem freundliche Worte („schickt uns Demokassetten, ballert uns mit Anrufen zu“) von Menschen, die nach eigener Aussage fast alle „durch Glück“ einen Sessel in einer Musikredaktion bekommen haben (freie Journalisten waren nur zwei vertreten). Ob es glücklich macht, sich täglich dutzendweise Bänder von Berliner Kapellen anzuhören, blieb im dunkeln. Die „Szene“ jedenfalls, die, nach der Anzahl der Besucher des „Medien-Forums“ zu urteilen, etwa zwanzig Personen umfaßt, fühlt sich stiefmütterlich behandelt.

Die Mißverständnisse zwischen Musikern und Journalisten bestimmen jede Diskussion zur „Musikstadt Berlin“. Auch in diesem Fall kaum neue Erkenntnisse. Bis vielleicht auf ein paar Tips, etwa daß Bands ihr Info sauber abtippen sollten. Ansonsten gilt weiterhin: Keine schlechte Platte und keine schlechte Band (auch nicht aus Berlin) kann man dem Publikum als toll verkaufen.

Das Metrobeat-Festival ist erfunden worden, um wenigstens einigen Berliner Bandpflänzchen Aufmerksamkeit bei Medien und Publikum zu sichern — als Nachfolgeveranstaltung des am Ende scheinbar von allen gehaßten Senatsrock-Wettbewerbs. Zogen sich früher eine Handvoll „Juroren“ für einige Tage zu einer Landpartie mit Demokassettenbeschallung zurück, so hat man für Metrobeat versucht, das Verfahren zu vereinfachen und gleich auch noch zu demokratisieren. Eingeweihte und Medienleute haben nur noch 50 Prozent Stimmrecht. Der Rest der Aktien wurde munter unters Volk verteilt. Jeder, der wollte, konnte eine Band vorschlagen. Über 1.000 Postkarten gingen ein. Ausgewählt wurden sechzehn Bands, die zwei Tage lang im Franz-Club und in der benachbarten Kulturbrauerei spielten. Zwischen beiden Gebäuden hatte man dann munter hin- und herzulaufen, wenn man nicht allzuviel verpassen wollte – ein Wechselbad der Kulturgefühle. Der Franz-Club mit seinem leicht biederen Jugendhaus-Ambiente (kunstvolle Nacktfotos an den Wänden wie in den Siebzigern), passendem Stammpublikum und rüden DDR-Türstehern war Austragungsort für unauffälligen Pop von den Tanzenden Herzen oder den Candy Dates.

Drei Minuten Fußweg zum Kesselhaus nebenan, und man hatte fünfzehn Jahre Popgeschichte hinter sich gebracht. Das haushohe alte Kesselgebäude: zugig, Putz von den Wänden, ein verlassener Industrietorso. Der ideale Ort für Neues, weil nichts Altes (wie im Franz) aus den Wänden müffelt. Trotzdem auch hier so etwas wie DDR-Nostalgie. Sänger Aljoscha von Feeling B trägt ein T-Shirt mit der Aufschrift: Born In DDR. Die Leute tanzen Kasatschock zu roten Sternen, die von Scheinwerfern auf die Bühne projiziert werden. „Ich such die DDR, und kommt sie zu mir, verzeih ich ihr?!“

Die Tanzenden Herzen kurz darauf im Franz: „Komm einfach mit zu mir.“ Was sich eindeutig nicht auf die verschwundene DDR sondern auf Mädchen bezog.

Am nächsten Abend dann wieder ein Zeitsprung im Kesselhaus: Rap und HipHop. Die Reality Brothers rappen, zappeln, schwenken Riesenmützen. Die Sängerin muß noch mehr zappeln, um in ihrem luftigen Outfit nicht zu frieren. Stimmung wie bei Feeling B aber will nicht aufkommen, vielleicht ist es einfach noch zu leer. Mit ein bißchen weniger Funk, mehr Breaks und Gitarren könnten die Reality Brothers meinetwegen öfter auftreten. Realitätstüchtig genug, um nach dem Gig ein braves Interview mit Elf 99 zu machen, sind sie schon.

Wie heißt es so schön im Programmheft des Musik-Szene e.V., der die Kulturbrauerei betreibt: „Die Förderung der populären Musik und deren höhere gesellschaftliche Akzeptanz in Deutschland sind die Ziele der Mitglieder.“

Vielleicht träumen auch Atari Teenage Riot heimlich von „gesellschaftlicher Akzeptanz“. Das Trio jedenfalls hüpft aufgeregt über die Bühne und fragt ständig: „Are you ready?“ Klar sind wir fertig, aber wir wissen nicht wofür. Für den Aufstand der Siebzehnjährigen? Ready for Techno? Oder etwa doch wieder nur ready to Rock 'n' Roll? Die neunzehnjährigen Ataris machen Musik von heute – ziemlich eindringliches Techno-HipHop-Zeugs – mit den Aussagen von gestern, die sie von ihren langhaarigen Vätern kennen. Eine Musik, die mit Rock nichts zu tun haben will, wie es auch die Reality Brothers erzählen, versichert sich Rocktraditionen seit Woodstock. Dazu trägt die „Sängerin“ ein rotes Baseball-T-Shirt mit dem Aufdruck: Rasism Sucks.

Wären nicht 18th Dye gewesen, die Ataris hätten den Schaukampf für mich gewonnen. 18th Dye haben das, was den Atari-Kids abgeht: eine abgeklärte Haltung, eine Coolness, die nicht künstlich wirkt. Ihre Musik orientiert sich an Bands wie Sonic Youth. Wahrscheinlich sind 18th Dye aber schon jetzt bei einigen Stücken besser als die Vorbilder.

Metrobeat ist sicherlich kein Ersatz für den Senatsrock, weil er völlig unbekannte Bands durch seinen Auswahlmodus gar nicht entdecken kann. Ein Ansatz zu etwas Neuem waren die zwei Tage Metrobeat aber durchaus. Um mal was Positives zu sagen. Andreas Becker