Koloniale Wirtschaft kein Thema

■ Zum 100sten Geburtstag der Nordwestdeutschen Gewerbeausstellung wollten Überseemuseum und Staatsarchiv Koloniales aufarbeiten

Einmal am Nabel der Welt sein! Oder wenigstens Mittelpunkt Deutschlands! Im regnerischen Sommer von 1890 hatte Bremen es geschafft:

Die Nordwestdeutsche Gewerbe-und Industrieausstellung, die am 31. Mai eröffnet wurde, erwies sich als reichsweiter Publikumsmagnet. Im vorderen Bürgerpark war High-tech im Stil der Zeit zu bewundern: Wasch-Maschine und elektrifizierte Straßenbahn, der neueste Otto-Motor und eine Luftbahn, die ihre Passagiere zwölf Meter über der Erde durch die Sommerbrise schaukelte. Zwei Jahre, nachdem die Zollschranken zwischen den Hansestädten und Restdeutsch

land gefallen waren, präsentierte sich Bremen als wirtschaftliches Zentrum.

Als absoluter Renner erwies sich der Ausstellungsteil, der dem weltweiten Handel der Bremer Kaufleute gewidmet war. Unter Säulen in Gestalt von Palmenstämmen, von deren Spitzen echte Palmwedel herabhingen, waren afrikanische und asiatische Szenerien orginalgetreu nachgebaut als Staffage für die ausgestellten Handelsgüter. „Wunderprächtige Märchenwelt, welche als schönes Gewand für die wirtschaftliche Prosa des Welthandels dient“, stimmte die Ausstellungszeitung in den Chor der KolonialenthusiastInnen ein

war das Reich doch 1884 endlich Kolonialmacht geworden. Und die Bremer Kaufleute mischten ganz vorne mit. Das farbenprächtige Highlight in Bremens Historie könnte willkommener Anlaß sein, bremische Kolonial - und Wirtschaftsgeschichte anschaulich und deshalb publikumswirksam aufzubereiten-dachten jedenfalls MitarbeiterInnen von Überseemuseum und Staatsarchiv. Und zwar dachten sie das bereits vor zwei Jahren. Nach einem „Sondierungsgespräch“ mit Staatsarchivs-Chef Müller war

auch Kulturbehörden-Opper am 3. März 1988 überzeugt, die Ausstellung sei „der idealste Themenanlaß“ für eine kulturelle Großveranstaltung „mit strukturbildendem Effekt in der Auswirkung.“ Im Rückblick scheint es dem Kulturverwalter gar, er selber habe die Ausstellung von 1890 als Kulturereignis 1990 ins Gespräch gebracht. Wie dem auch sei-in Überseemuseum und Staatsarchiv recherchierten und planten die ExpertInnen für das ins Auge gefaßte Großereignis anno 1990. Ihre Aktivitäten gin

gen allerdings ins Leere: Nach über einem Jahr mußten sie mangels konkreter Zusagen aus der Kulturbehörde erkennen, daß ein größeres Ausstellungsunternehmen „wegen der Ungunst der Verhältnisse - um es einmal vage so zu benennen“ nicht mehr zu verwiklichen wäre. Die senatorischen Kulturbediensteten hatten sich einfach nicht klar geäußert und sofort resigniert-phantasielos alle Geldbeschaffungsaktivitäten eingestellt, als die Handelskammer nicht gleich begeistert Schecks rüberschob. Allerdings,

sagt die Handelskammer, ist sie erst zu einem Zeitpunkt gefragt worden, als es für eine Ausstellung ohnenhin zu spät war.

In Überseemuseum und Staatsarchiv versuchte man daraufhin, das Thema auf kleinerer Flamme am Köcheln zu halten. Eine reich bebilderte Anthologie und ein Symposium sollten das denkwürdige Ereignis in Erinnerung rufen. Die Reaktion aus der Behörde war erneut - Schweigen. Im Winter 1989 war schließlich auch den Unermüdlichen klar, daß mal wieder eine Kultur-Idee geplatzt war. Jetzt versuchen sie, im laufenden Programm die ein oder andere Reminiszenz an 1890 und die eigenen hochfliegenden Ideen unterzubringen. Und schmieden schon erste Pläne für 1996: Da wird nämlich das Überseemuseum, das gebaut worden war, um die Exponate der Handelsaustellung von 1890 aufzunehmen, 100 Jahre alt.

Gaby Mayr

Radiotip dazu: „High-tech vor 100 Jahren“, heute (Samstag) RB 1, 21 - 22 Uhr.

Im Rahmen des „Exotismus-Programms“ läd Dr. Andreas Lüderwaldt am Sonntag, 27. Mai, um 11 Uhr ins Überseemuseum ein zur Spurensuche: „Den Warenproben Lokalfarben verleihen

-100 Jahre Handels- und Kolonialausstellung in Bremen“.