Kriminelle Wiedervereinigung

■ Von Helden der Schwarzarbeit und Bundesnebenverdienstkreuzträgern

Die Arbeiter und Bauern der DDR sind entsetzt, „ehrliche Kommunisten“ (Transparent) fordern die Bestrafung der Parteiführung, „das Volk“ schäumt vor Wut über Bonzentum, Betrug und allgemeinen Amtsmißbrauch. Der Paukenschlag, der am Wochenende die Abrechnung mit der alten SED-Garde eröffnete, zeigte ein unbekanntes Bild der Herrschenden in der DDR. Hinter den bis dato nur als vernagelte Dogmatiker und bornierte Brutal-Marxisten berüchtigten Funktionären offenbart sich der häßliche Ostdeutsche, die korrupte, macht - und groschengeile Drecksau. Der Rest von Respekt, der aufrechten Antifaschisten wie Honecker von ihren Untertanen in der DDR bis vor kurzem noch gezollt wurde, scheint aufgebraucht, die Illusion, daß Kommunisten mit Gleichheit und Brüderlichkeit im Munde bessere Menschen seien als Kapitalistensäcke mit Zigarre, ist dahin.

Der heilige Zorn der Erniedrigten und Beleidigten in der DDR, die so etwas 40 Jahre lang nicht geahnt haben, und der Geifer der kalten Krieger im Westen, die es natürlich schon immer wußten, diese ganze Aufregung über die kriminellen Untiefen des Sozialismus hat, bei aller Skandalträchtigkeit, etwas zutiefst Beruhigendes. Seit dem 9.November beginnt die Bundesrepublik das unbekannte Land jenseits der Mauer zu entdecken und darf schon nach drei Wochen feststellen, daß der Hase dort genauso läuft wie bei uns. Die selbsternannte Avantgarde des Humanismus, die Führer der Kommunisten, stecken so tief im Sumpf des Allzumenschlichen wie die geflickten und verfilzten Repräsentanten der Bundesrepublik: was Vietor und Lappas hüben, ist den Gewerkschaftern drüben ihr Mittag und Tisch, dem größenwahnsinnigen Müller in Thüringen korrespondiert ein Provinzfürst Barschel in Schleswig-Holstein. Und wie unser U-Boot-Deal mit Südafrika nur die offiziöse Spitze eines Eisbergs darstellt, wird auch die Rostocker Waffenkammer des flüchtigen Schalck -Golodkowski nicht das einzige und letzte schmutzige Geschäft gewesen sein.

Daß dieser Schalk regelmäßig und in Milliardenhöhe ausgerechnet mit dem seligen Franz Josef gedealt hat, deutet ja bereits an, daß im Recht, sich kommerzielle Freiheit zu nehmen, durchaus Einigkeit bestand. Auch was die DDR -Bevölkerung derzeit besonders in Wallung versetzt - daß ZK -bekannte „Unregelmäßigkeiten“ nicht geahndet, sondern mit Orden honoriert wurden -, gehört bei uns zur politischen Tagesordnung: als Regierungssprecher unter Kanzler Kohl fungierte der Steuerbetrüger P.Boenisch (Bußgeld: 1 Mio. DM), der auf Bewährung verurteilte Graf Lambsdorff führt die FDP, und von allen anderen Profiteuren der Diehl-Liste ist keiner ohne Amt, Pension und Würde. Wenn im Zuge der Entstalinisierung in der DDR die Selbstbedienungsmentalität der Staatsdiener jetzt auf Maß und Stil zurückgeschraubt wird, wird es in Deutschland, auch ohne Einheit, wieder wie geschmiert laufen: durch kriminelle Wiedervereinigung der Helden der Schwarzarbeit mit den Bundesnebenverdienstkreuzträgern.

Mathias Bröckers