Wer entscheidet über Abschiebung?

Nürnberger Grüne wollen Kompetenz beim Vollzug des Ausländerrechts grundsätzlich klären Bayerisches Innenministerium will einem Türken die politische Betätigung verbieten  ■  Aus Nürnberg Bernd Siegler

Der Fall des 24jährigen türkischen Staatsangehörigen Cengiz Y., dem die Stadt Nürnberg auf Bitten des bayerischen Innenministeriums die politische Betätigung verbieten will, wird für eine grundsätzliche Klärung der Zuständigkeiten im Vollzug des Ausländerrechts sorgen. Während das Ausländeramt der Stadt Nürnberg die Zuständigkeit des Stadtrats verneint, liegt inzwischen ein gegenteiliges Gutachten vor. Auch aus Kommentaren zum bayerischen Kommunalrecht geht nach Ansicht des Nürnberger Grünen-Stadtrats Murawski eindeutig hervor, daß der Stadtrat mit seiner Entscheidungskompetenz den Ermessensspielraum, den das Ausländerrecht gibt, voll nutzen kann.

Mitte November war Y. vom Ausländeramt der Stadt Nürnberg mitgeteilt worden, ihm „die politische Betätigung zu untersagen und den Aufenthalt auf den Bereich Mittelfranken zu beschränken“. Als Rechtfertigung für die zeitlich unbefristete Maßnahme führte die Ausländerbehörde eine mit „Erkenntnissen“ des bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz untermauerte Bitte des bayerischen Innenministeriums an. Demnach soll Y. bei Veranstaltungen „behilflich“ gewesen sein, „die auch voll vom AB (Arbeiterbund, d.Red.) unterstützt wurden“. Seine Unterschrift als Kreisvorsitzender der Jungen Presse Bayern auf einem Flugblatt gegen Neofaschismus wurde ihm ebenso vorgehalten wie die Teilnahme an einer Spontandemonstration in Begleitung eines Funktionärs des Bundes Deutscher Pfadfinder. Die Anwälte von Y. sprechen in diesem Zusammenhang von einer „Kontaktschuld“ und werfen der Stadt vor, ohne die nötige Überprüfung eine Bitte des Ministeriums in die Tat umsetzen zu wollen.

Genau an dieser Stelle hakt das Gutachten zum „Verhältnis Stadt Nürnberg - Freistaat Bayern im Hinblick auf den Vollzug des Ausländerrechts“ von Rechtsanwalt Roth nach. Demnach habe die Stadt mit der Einleitung des Anhörungsverfahrens im Sinne „vorauseilenden Gehorsams“ gehandelt und „eigene Rechte über Bord geworfen“. Bisher hat die Stadt argumentiert, sie sei weisungsgebunden und der Vollzug des Ausländerrechtes obliege letztendlich dem Oberbürgermeister, da es sich um „einen übertragenen Wirkungsbereich“ handelt. Das widerspricht nach Ansicht von Murawski sogar dem bayerischen Kommunalrecht, da sich der automatisch übertragene Wirkungsbereich lediglich auf den Verteidigungs- und Zivilschutzbereich beschränkt. In allen anderen Fällen obliege es dem Stadrat, ob er dem OB weitere Angelegenheiten zur selbständigen Erledigung übertragen wolle. Sollte eine derartige Übertragung im Fall des Ausländerrechts in früheren Jahren tatsächlich in Nürnberg beschlossen worden sein, wollen die Grünen einen Grundsatzbeschluß herbeiführen. Demnach sollen sämtliche Weisungen des Innenministeriums auf dem Gebiet des Ausländerrechts und alle Abschiebungen sowie Einschränkungen von bürgerlichen Rechten vor dem Vollzug dem Stadtrat vergelegt werden.