Sonne, Sand, Sahara

■ Heiße Luft in Bremen ist keine heiße Meldung: Wüstenwinde wehen öfter über die Hansestadt / Sandstaub auf Autodächern läßt Metereologen keine Ruhe

Die erotischen Formen sanftgewellter Saharadünen, warmer Wüstensand und palmenbestandene Oasen... Wer sich gestern mittag, umspielt von lauen Lüften, beim Blick hinauf zum strahlendblauen Himmel in die Weiten Nordafrikas träumte, war keineswegs einer alltagsflüchtigen

Spinnerei verfallen, sondern hart dran am wirklichen Leben. Denn gestern wehten saharische Winde bis in die Hansestadt.

„Das ist für uns fast eine alltägliche Sache“, sorgte Diplommetereologe Günther Fleischhauer vom Wetteramt am Bremer Flughafen auf Nachfrage für abrupten Druckabfall bei der Recherche, die nicht nur einem heißen Wind, sondern auch einem heißen Thema gelten sollte. Zwar nicht täglich, aber doch mehrmals im Jahr (außer im tiefsten Winter) gelangt heiße Luft mit kräftigen Winden aus Afrika bis nach Norddeutschland. Das spielt sich allerdings in höheren Luftschichten ab. Und zwischen denen und den BewohnerInnen der Hansestadt liegen meist jede Menge Wolken, die verhindern, daß die saharische Wärme die von oben völlig unabhängige Lufttemperatur in Bodennähe aufheizt. Deshalb merken erdnahe Lebewesen hierzulande oft nichts von den Wetter-Gästen aus Afrika.

Eine Spezialität von Herbst und Frühjahr sind die enormen Temperaturschwankungen zwischen nahe Null und plus 20 Grad innerhalb von 24 Stunden, wie sie Bremen in den letzten Tagen abwechselnd zum Klirren und Schwitzen brachten. Grund dafür ist das Ringen nördlicher und südlicher Luftmassen in großer Höhe um die Vorherrschaft in unseren Breiten.

Die kräftigen Winde aus Nordafrika blasen nicht nur warme Luft, sondern auch leibhaftigen Saharasand bis nach Syke und Bremerhaven. Das bekommen die ErdbewohnerInnen allerdings nur zu spüren, wenn's ein paar Tropfen regnet und mit dem Wasser der feine Sand auf Fensterscheiben, Vorgärten und auf blankpolierte Autodächer niedergeht.

Genau an dieser Stelle zeigen die weithin, aber völlig zu Unrecht als stur gescholtenen BremerInnen feinnervige Empfindsamkeit: „Ich hab gerade mein Auto so schön geputzt, was ist denn da los“, dröhnt's dann schon mal aus Günther Fleischhauers

Telefonhörer, wenn das Liebste morgens eingestaubt vor der Haustür steht. Oder es kommt eine Nachfrage der Polizei, wenn sich dort die besorgten Anrufe häufen. Denn man weiß ja nie, ob der angebliche Saharastaub diesmal aus der Chemiefabrik stammt.

Günther Fleischhauer und seine KollegInnen erklären dann die Zusammenhänge, allerdings immer mit dem Zusatz „mit großer Wahrscheinlichkeit“. Denn das Wetteramt Bremen ist nicht für chemische Analysen ausgerüstet. Für Nachfragen aus MedizinerInnenkreisen ist das Wetteramt Essen zuständig, das über eine medizinmetereologische Abteilung verfügt.

Rechtlich verbindliche Auskünfte über alles, was auf Bremen und Bremerhaven niedergeht, erteilt im kleinsten Bundesland die Senatorin für Umweltschutz. Aus Anlaß von Tschernobyl wurde dort erstmals in großem Stil erprobt, wie mit besorgten AnruferInnen umzugehen sei. Nach der Reaktorkatastrophe 1986 wurde der entsprechende Katastrophenplan erst einmal bei Smog aus der Schublade gezogen. An blitzschnell im Rathaus aufgestellten Telefonen erteilten eilends kurzgeschulte MitarbeiterInnen der Behörde Rat. Sahara-Staub, versichert Hans Hildebrandt aus der Umweltschutzbehörde ernsthaft, sei allerdings keine Katastrophe.

Gaby Mayr