Vier Stunden nach sieben Jahren

■ Um im Hamburger Literaturhaus aus seinem Roman „Abgang“ vorzutragen, erhielt RAF–Aussteiger Peter–Jürgen Boock zum erstenmal Hafturlaub

Aus Hamburg Ute Scheub

„Aber leider, die Zeit bleibt nicht stehen“, bedauert der namenlose Stadtguerillakämpfer, als er frischverliebt mit seiner neuen Freundin, ebenfalls Sparte „Untergrund“, allen Gefahren zum Trotz in einer Kellerbar tanzen geht. Hinterher werden die beiden sogar noch so übermütig, daß sie die RAF zur militanten Tierbefreiungsfront erweitern und vor dem Schlachthof eine Fuhre Ferkel befreien. „Aber leider, die Zeit bleibt nicht stehen“, klagt der Autor dieser Szene, der zu lebenslänglicher Haft verurteilte RAF–Aussteiger Peter–Jürgen Boock, im Hamburger Literaturhaus. Er meinte damit vielleicht auch seine eigene Zeit: Justizsenator Wolfgang Curilla hatte ihm eine vierstündige Ausführung für diese Veranstaltung am frühen Dienstag abend gewährt. Nach siebeneinhalb Jahren Haft in Stuttgart–Stammheim und Hamburg konnte der 36jährige das erste Mal einen Fuß vor die Knastmauern setzen. Die ungewöhnliche Lesung war mit über 200 ZuhörerInnen sehr gut besucht. Viele Freunde Boocks waren erschienen, darunter auch Wolf Biermann und Astrid Proll, die sich keineswegs derzeit um die britische Staatsbürgerschaft bemüht, wie vom Guardian fälschlich gemeldet und von der taz fälschlich weitergegeben wurde. Weniger literarische als politische Fragen stellte das Publikum am Ende der Lesung. Was er denn von der diskutierten Amnestie halte? Da man dafür eine Zwei–Drittel–Mehrheit im Bundestag brauche, könne man die abhaken, befand Boock. Aber es gäbe auch noch andere Möglichkeiten, zum Beispiel „die Haftbedingungen bei denen zu ändern, die noch im Knast sitzen, denn der ist unmenschlich und unsinnig.“ Was er mit der Stiftung bezwecke, der der Erlös aus seinem Roman zugeführt werden soll? Damit solle Aussteigern juristische Hilfe finanziert werden, erklärte Boock geduldig.