Die qualvolle Spaltung Grün–Österreichs

■ Durch innerparteiliche Querelen vermindern die alpenländischen Grünen ihre Wahlchancen / Wiener Spitzenkandidatin Freda Meissner–Blau werden Königinnen–Allüren vorgehalten / Lachende Gewinnerin ist die SPÖ / Meisser–Blau: „Die Spaltung wird Klarheit bringen.“

Am Samstagnachmittag war es soweit: die Grün–Alternativen hatten sich in zwei konkurrierende Wahllisten aufgespalten. Nur wenige Wochen vor den vorgezogenen Parlamentswahlen ist es nun fragwürdig geworden, ob Grüne im nächsten Parlament in Österreich stark vertreten sein werden. Nur wenige glauben, daß „Die Grün Alternative Liste Freda Meissner Blau“ oder die „Grün Alternative Demokratische Liste“ es allein schaffen können. Zum Eklat zwischen dem „wertkonservativen Lager“ und dem aus der linken Tradition hervorgegangenen links–alternativen Spektrum kam es, als die Konservativen mit aller Macht versuchten, die „Chaoten“ von den Wahllisten zu verdrängen. Die Ex–Präsidentschaftskandidatin Freda Meissner–Blau, die vor wenigen Wochen noch über 5 Prozent der Stimmen erreichte, wehrte sich zusammen mit ihrem Beraterstab vehement gegen das Vorrücken von Alternativen, vor allem aus Wien, auf die sicheren Listenplätze. Nun stehen die Grünen Österreichs vor den Scherben ihrer eigenen Strategie: sie setzten auf die Medienwirkung ihrer Prominenz. „Wir brauchen eine Landesmutter“, heißt es auf den Wahlplakaten: So wurde in der basisdemokratischen Bewegung ein mo narchistisches Konzept durchgesetzt. Für Freda Meissner–Blau war längst der Einzug ins Parlament als Spitzenkandidatin ihres Wahlkreises Niederösterreich gesichert. Unerwartet kandidierte sie trotzdem zusätzlich für den ersten Platz der Wiener Liste auf der Landesversammlung aller Grünen– Strömungen in Wien. Zum allgemeinen Erstaunen unterlag die Prominente Meißner– Blau bei der Kampfabstimmung um den Wiener Spitzenplatz gegen die bis dahin in Österreich unbekannte Andrea Komlosy. Meissner–Blau verläßt den Saal, erleidet einen Kreislaufzusammenbruch und wird vom Krankenwagen abgeholt. Währenddessen setzt die Wiener Bündnisversammlung Freda Meissner–Blau nachträglich auf Platz 1. Aber sie lehnt vom Krankenhaus aus ab: „Es gibt keinen Kompromiß.“ Mit der Spaltung findet der „Kampf“ sein vorläufiges Ende. Am Wochenende verkündete Meissner–Blau eine endgültige Wiener Liste, die mit der demokratisch gewählten fast nichts gemeinsam hat. Dem Journalisten und bekannten Betreiber einer österreichischen grünen Bewegung, Günther Nenning, stellte sie ein Ultimatum: Wenn er sich öffentlich von der gewählten Wiener Liste distanzieren würde, bekäme er den Spitzenplatz hinter ihr. Nenning verzichtete auf die Kandidatur. „Sagt der Königin, ich bin ein Demokrat.“ Eine der Ausgeschlossenen, Erika Fischer, Platz 2 der gewählten Wiener Liste, analysiert das grün–grüne Hickhack: „Der große Gewinner ist die SPÖ. Durch eine Liste der Politik der Mitte werden hauptsächlich der bürgerlichen ÖVP und nicht der SPÖ Stimmen weggenommen. Die potentiellen Grünwähler bleiben so der SPÖ als das geringere Übel erhalten. Durch die autoritäre Art der Listenaufstellung ist es der SPÖ wieder einmal gelungen, die Entwicklung einer unabhängigen links–alternativen Opposition zu verhindern.“ Meissner–Blau dagegen: „Die Spaltung wird Klarheit bringen.“ Meissner–Blau meint auf die Frage der taz, ob sie durch eine Tolerierung der SPÖ eine große Koalition der Großparteien (in Österreich geplant) verhindern will: „Ja, dann wäre ich auch fürs Stillhalten. Nur am Budget wirds platzen. Das hält maximal ein dreiviertel Jahr, wenn die 17 Milliarden für Straßenbau und Abfangjäger ausgeben.“ Für den Fall von Neuwahlen hofft sie: „Bis dahin haben wir vielleicht etwas gelernt und sind stärker.“ Walter Oswalt