Die Welt aus Sicht des IS

CYBERATTACKE Sympathisanten des „Islamischen Staats“ legten einen französischen Auslands-Fernsehsender auf allen Kanälen lahm. Offenbar sollte das Sendenetz im Dienst der Propaganda eingesetzt werden

Was könnte geschehen, wenn Terroristen in das System eines AKW eindringen?

AUS PARIS RUDOLF BALMER

Sympathisanten der Organisation Islamischer Staat haben in der Nacht zu Donnerstag das System des französischen Fernsehsender TV5Monde geknackt und lahmgelegt. Der Cyberkrieg der Dschihadisten ist mit dieser Aktion eine neue Phase erreicht. Es wurden nicht bloß ein paar Online-inhalte geändert wie bei den bereits fast täglichen Attacken von Piraten, die dazu gähnende Sicherheitslücken missbrauchen. Bei TV5Monde wurde sogar die Ausstrahlung der Programme verhindert. Premierminister Manuel Valls sprach in einer ersten Reaktion per Twitter von einem „inakzeptablen Angriff auf die Informations- und Meinungsfreiheit“.

Der Angriff hatte auf den sozialen Netzwerken begonnen. Den IS-Hackern gelang es, die Kontrolle über das Facebook-Konto des Senders zu erlangen. Bald war dort wie auch auf der Webseite des Senders nur noch IS-Propaganda zu sehen und zu lesen. In Anspielung auf den Anti-Terrorismus-Slogan „Je suis Charlie“ stand dort „Je suIS IS“.

Ebenfalls auf Facebook publizierten die prodschihadistischen Piraten ihre Botschaft und ihre Drohung: Frankreichs Präsident François Hollande habe mit seiner Intervention im Irak einen „unverzeihlichen Fehler“ gemacht und nichts gelernt aus den „Geschenken bei Charlie Hebdo und HyperCasher“ – so werden die mörderischen Terroranschläge vom Januar bezeichnet.

TV5Monde ist ein internationaler Sender der frankophonen Staaten Frankreich, Belgien, Schweiz und Kanada (Quebec). Ähnlich wie die Deutsche Welle, das von der Bundesregierung finanzierte Auslandsprogramm, spielt TV5Monde im Herkunftsland kaum eine Rolle, sondern sendet kulturelle, aber auch politische Inhalte in den Rest der Welt. Seine Programme erreichen 250 Millionen Haushalte in 200 Ländern, namentlich in Asien, im Nahen Osten und in Afrika, wo Französisch als Sprache weit verbreitet ist.

Der Hackerangriff ging viel weiter als zunächst erwartet. Um 22 Uhr war auf dem Kanal von TV5Monde nur noch ein schwarzer Bildschirm. Fernsehdirektor Yves Bigot musste mitteilen: „Wir sind nicht mehr imstande, auf unseren Kanälen zu senden.“

Man muss derzeit davon ausgehen, dass es den Hackern gelungen ist, die Kontrolle über das gesamte System des Senders zu erlangen. Entsprechend umfangreich sind nun die Wartungsarbeiten und die Bemühungen, anderswo eine Wiederholung zu verhindern.

Die Webseiten französischer Zeitungen waren – wie auch andere Medien (siehe Interview) – bereits mehrfach von proislamistischen Hackern angegriffen worden. Dass aber ein ganzes System außer Betrieb gesetzt wird, stellt eine Premiere dar und weckt Befürchtungen: Was könnte geschehen, wenn es Terroristen gelänge, in das Betriebssystem eines AKW oder der Flugsicherheit einzudringen?

Im Fall von TV5Monde erklären Spezialisten von breaking3zero.com bereits das Vorgehen der Piraten, die sie aufgrund hinterlassener Spuren in Algerien ausfindig gemacht haben. Sie nutzten angeblich eine Java-Lücke, um einen VBS-Virus mit dem Namen „isis“ (!) zu installieren. Ziel sei wohl gewesen, das weltweite Sendenetz von TV5Monde nicht bloß zu blockieren, sondern für IS-Propaganda einzusetzen.