Merkwürdige Hybride

AUSSTELLUNG Das Missverständnis und seine dekorativen Folgen: Im Hamburger Bahnhof hat Udo Kittelmann die beiden Abstrakten Mary Heilmann und David Reed auf einen echten Schieber eingeladen

Ganz unabhängig voneinander insistierten Mary Heilmann und David Reed – die beide in den späten 1960er Jahren aus Kalifornien an die amerikanische Ostküste übergesiedelt waren – darauf, dass es lohnend und daher richtig sei, die abstrakte Malerei noch immer weiter zu entwickeln. War Reeds Traditionslinie der Abstract Expressionism, so war Heilmanns die Farbfeldmalerei. Entsprechend schufen beide ein vom malerischen Ansatz her ganz unverwechselbares Werk.

Im Hamburger Bahnhof, wo beide derzeit ausstellen, ist dieses Werk aber nicht zu sehen. Zu sehen sind merkwürdiger Hybride; Diptychen, deren zwei Tafeln farblich so exquisit aufeinander abgestimmt sind, dass der Bruch in Format und Malstil offenkundig spielerisch intendiert ist, obwohl er in dieser Absicht nicht wirklich überzeugt.

Nie würde man in diesen Diptychen zwei zwar sehr nahe gerückte, trotzdem aber eigenständige Arbeiten erkennen. Doch so steht es an der Wand: David Reed, „#325“, 1992–1993, Mary Heilmann, „Green Kiss“, 1990.

Und so wird es einem vom Erfinder dieses Zusammenspiels, dem Direktor der Nationalgalerie, Udo Kittelmann, gesagt. Ihm genügte die Koinzidenz des beiderseitigen Umzugs von West nach Ost und des jeweiligen Festhaltens an der Abstraktion, um bei den beiden Künstlern für die gemeinsame Ausstellung „Two by Two. Mary Heilmann & David Reed“ zu werben.

Dass Erstere diese Erfahrung als Bereicherung und Inspiration empfinde, wie sie auf der Pressekonferenz am Donnerstag bekannte, glaubt man ihr gern. Nichts ist produktiver als das Missverständnis. Man muss es nur fruchtbar machen können. Aber wie soll das in der Rezeption geschehen? Den BesucherInnen der Ausstellung im Hamburger Bahnhof bleiben wohl oder übel nur das Missverständnis und seine dekorativen Folgen.

Nun ist Mary Heilmanns Furcht vor dem Dekorativen sicher nicht stark ausgeprägt. Sie liebt kräftige, klare Farben und arbeitet gern mit Keramik, einem zwar altehrwürdigen Material der Kunst, das zuletzt aber nur noch deren angewandter Form zugerechnet wird. Dieses Vergehen in Schönheit hat sie trotzdem nicht verdient. Denn Mary Heilmann hat die Abstraktion ins Unreine und damit auch ins Unschöne getrieben, selbst dort, wo sie mit ihren unstatthaften Referenzen auf Pop Art, Kino, Kitsch und Werbung durchaus glamouröse Oberflächen schuf.

Mary Heilmann ist besser. Berliner wissen das. 2010 stellte sie bei Barbara Weiss aus. Und neben den unerhört einfachen Dingen, die ihre Leinwände zeigten, wie Gitter, Streifen, Punkte oder gezackte, stürzende Linien, stellte sie Möbelobjekte und Keramikskulpturen in den Raum.

Mit der Keramik unterschlägt die Ausstellung im Hamburger Bahnhof einen ganz wesentlichen Teil ihres Werkes. Das war vor zwei Jahren in Bonn anders, wo wenigstens ihre Email-Arbeiten und dreidimensionalen Collagen gezeigt wurden, obwohl Mary Heilmann auch dort schon verpartnert wurde – damals mit dem deutschen Vorzeige-Abstrakten Blinky Palermo.

Jetzt also das gleiche Spiel noch einmal. Und wieder weiß man nicht, warum. Müssen die Ausstellungsmacher so originell tun, um die Künstlerin doch nur wieder wegzuschieben, weil es die Marketingprofis der großen Galerien wie Hauser & Wirth und die Auktionshäuser waren, die sie groß herausgebracht haben? Während die Museen Mary Heilmann eine adäquate Antwort auf ihre künstlerische Leistung schuldig blieben?

BRIGITTE WERNEBURG

■ Bis 11. 10, Hamburger Bahnhof, Invalidenstr. 50–51, zu den bekannten Öffnungszeiten