Die Furcht vorm bösen Geld

Während die Bundesregierung bestimmte Schlüsselindustrien vor Staatsfonds aus Schwellenländern wie China und Russland schützen will, erachten Kritiker private Investmentfonds als problematischer

Zum Schutz deutscher Schlüsselindustrien vor unliebsamen ausländischen Staatsfonds will die Bundesregierung verschiedene Instrumente ausloten. Das schwarz-rote Kabinett beschloss am Freitag nach einer zweitägigen Klausur im brandenburgischen Meseberg, unter anderem die Möglichkeit einer Erweiterung des Außenwirtschaftsgesetzes zu prüfen. Ferner soll mit Banken die Einrichtung von deutschen Kapitalsammelstellen erörtert werden. In dem zwölfseitigen Ergebnispapier zum Abschluss der Kabinettsklausur heißt es weiter, nationale Sicherheitsinteressen müssten gewahrt werden. Zugleich sollten aber Offenheit und Attraktivität für ausländische Investitionen erhalten bleiben. Dazu solle ein „besonderes Kontrollverfahren durch Erweiterung des Außenwirtschaftsgesetzes zur Berücksichtigung von nationalen Sicherheitsinteressen bei problematischen ausländischen Investitionen“ geprüft werden. Möglich seien unter anderem Umsatzschwellenwerte, Meldepflichten und Interventionsverfahren. DPA

VON TARIK AHMIA
UND ULRIKE HERRMANN

Zieht die Regierung in eine Abwehrschlacht gegen ausländische Investoren? Die Ergebnisse der Kabinettsklausur in Meseberg blieben eher vage, beschlossen wurde lediglich die Bildung einer Arbeitsgruppe. Dennoch ist die Botschaft deutlich: Man nimmt die neueste Entwicklung auf den Finanzmärkten ernst, dass Schwellenländer Staatsfonds gründen, um sich in aller Welt an Firmen zu beteiligen. Insbesondere China, Russland und den arabischen Ölstaaten wird zugetraut, dass sie ihren Reichtum dazu nutzen, wichtige Unternehmen in den Industrieländern aufzukaufen.

Aber was soll diese „Arbeitsgruppe“ prüfen? Konkret nannte Bundeskanzlerin Angela Merkel nur die Idee, Bestimmungen des Außenwirtschaftsgesetzes auf weitere Branchen ausdehnen. Bislang ist es nur bei Rüstungsbetrieben vorgesehen, dass die Regierung einem Verkauf an ausländische Investoren zustimmen muss.

Der hessische Ministerpräsident Roland Koch und CDU-Generalsekretär Ronald Profalla wurden gestern präziser: Im Namen ihrer Partei forderten sie, ein „Vetorecht bei Unternehmensbeteiligungen“ zu erwägen. „Entscheidungskriterium ist das nationale Interesse“, sagten sie bei einem Besuch an der Frankfurter Börse.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie wollte diese Vorschläge gestern nicht kommentieren. Allerdings hatte BDI-Präsident Jürgen Thumann schon letzte Woche zur Zurückhaltung gemahnt: „Ich bin grundsätzlich für Investitionsfreiheit und gegen protektionistische Maßnahmen.“

Viel Furore machte auch der vage Hinweis im Kabinettspapier, man wolle eine „Kapitalsammelstelle“ prüfen. Genaueres ist nicht bekannt, aber offenbar sollen die großen Banken Finanzmittel akquirieren, um dann als strategischer Investor wichtige Firmen in dem Fall zu schützen, dass sie von ausländischen Staatsfonds übernommen werden sollen. Der Bankenverband wollte sich gestern nicht zu dieser Idee äußern.

Allein China verfügt über Devisenreserven in Höhe von 1.330 Milliarden US-Dollar. Rund 300 Milliarden davon hat die chinesische Regierung kürzlich in einen neuen Staatsfonds gesteckt (siehe unten). Der bereits Ende der Siebzigerjahre von den Vereinigten Arabischen Emiraten gegründete Staatsfonds Adia verfügt über 875 Milliarden US-Dollar und ist damit die bislang größte staatliche Investitionsgesellschaft der Welt. Zwei Staatsfonds aus Singapur können zusammen 430 Milliarden investieren, und der norwegische Ölfonds kommt auf 300 Milliarden. Russland schließlich hat 100 Milliarden für seinen Staatsfonds abgezweigt.

Aber nicht nur die Staatsfonds investieren im Ausland. Auch indirekt staatlich gelenkte Firmen unterbreiten Offerten. So blockierte die Bundesregierung im Frühjahr den Versuch des russischen Konzerns Sistema, bei der Deutschen Telekom einzusteigen. Und derzeit bemüht sich der russische Energiekonzern Gazprom, deutsche Stadtwerke zu übernehmen. Man stehe „vor großen Übernahmen in Europa“, heißt es aus dem Unternehmen.

Allerdings zeigen die Zahlen der Bundesbank, dass die Investitionen aus den Schwellenländern bislang recht bescheiden ausfallen. So beliefen sich Ende 2005 die ausländischen Direktinvestionen in Deutschland auf rund 390 Milliarden Euro – davon kamen 319 Milliarden aus Europa. Weitere 44 Milliarden investierten US-amerikanische Anleger. Die Investitionen aus Russland hingegen betrugen ganze 0,8 Milliarden und die aus China gerade einmal 0,2 Milliarden.

Dennoch ist Merkel alarmiert. Während private Geldgeber nur an einer hohen Rendite interessiert seien, „können Staatsfonds auch auf politischen Einfluss aus sein“. Zudem unterliegen Staatsfonds nur begrenzt den Gesetzen des Kapitalmarktes, denn sie können hohe politische Preise bezahlen und stehen nicht unter dem Druck, sich vor ihren Anlegern rechtfertigen zu müssen.

Bei der Opposition herrscht Skepsis, dass sich ausländische Investoren tatsächlich abwehren lassen. Es gibt aus Sicht der Bundesregierung offenbar gute und böse Investoren“, sagt Ulrich Maurer, der Geschäftsführer der Linken im Bundestag. Doch ein „Zweiklassenwettbewerb“ verstoße gegen die gesetzlich garantierte Freiheit des Kapitalverkehrs der EU.

Ein weiteres Problem ist die Abgrenzung, welche Branchen überhaupt in den Genuss staatlichen Schutzes kommen können. Denn der Europäische Gerichtshof akzeptiert Ausnahmen nur, wenn Interessen der nationalen Sicherheit oder des Allgemeinwohl gefährdet sind. Ginge es nach den Sozialdemokraten, würden dazu etwa die Sektoren Bahn, Gas und Strom sowie zentrale Infrastrukturen wie Häfen, Telekommunikation und Postdienste zählen. Die Union hingegen will diesen Kreis etwas enger definiert wissen.

Die einzelnen EU-Staaten haben sich inzwischen für sehr unterschiedliche Lösungen entschieden. Während in Großbritannien einzig die Rüstungsindustrie geschützt ist, hat Frankreich elf Branchen festgelegt, die als national bedeutsam einem gesonderten Schutz unterliegen. Dazu gehören die Impfstoffhersteller ebenso wie die Spielkasinos.

Sondergesetze gegen Staatsfonds provozieren auch den Protest von Ökonomen. „Die Diskussion über die Staatsfonds ist absurd“, sagte Heiner Flassbeck, Chefökonom der Welthandels- und Entwicklungskonferenz der UNO. „Während Private-Equity-Heuschrecken unsere Unternehmen aussaugen, geht die Welt bei Staatsfonds angeblich unter.“ Das Gegenteil sei richtig, meint der Ökonom. Denn anders als private Finanzinvestoren seien staatliche Finanzinvestoren erfahrungsgemäß weniger am schnellen Profit denn an einem langfristigen Engagement interessiert.

Ein bekanntestes Beispiel hierfür ist Norwegen, das seit dem Jahr 1990 die Gewinne aus der Ölförderung im Ausland anlegt, um die Renten der Norweger zu sichern. „Globalisierung ist aber offenbar nur gut, wenn sie eine angelsächsische Prägung hat“, sagt Ulrich Maurer. Sobald politisch missliebige Investoren auftauchten, würde der freie Wettbewerb eingeschränkt.

Die Kanzlerin will den Anschein des Ideologischen vermeiden, indem sie auf das Prinzip der Gegenseitigkeit setzt. Sie will die Erlaubnis für Staatsinvestoren vor allem davon abhängig machen, welche ökonomische Freizügigkeit diese in ihrer Heimat bieten: „Wenn wir Beschränkungen beim Zugang zu russischen Unternehmen haben, dann darf man den Europäern nicht übel nehmen, wenn wir uns spiegelbildlich verhalten.“