Blutige Weihnachten in Nicaragua

ZENTRALAMERIKA Nach Baubeginn von Atlantik-Pazifik-Verbindung: 15 Menschen bei Demos verletzt

WIEN taz | Der Bau eines Kanals zwischen Pazifik und Atlantik in Nicaragua hat blutig begonnen. Zwei Tage nach dem symbolischen ersten Spatenstich löste die Polizei Heiligabend mit Tränengas und Gewalt zwei Demonstrationen auf. Mindestens 15 Personen wurden nach Polizeiangaben verletzt, darunter mehrere Polizisten. Meldungen über 2 Tote konnten nicht bestätigt werden. Mehr als 50 Demonstranten verbrachten den Abend in Haft. Erst am folgenden Tag wurden Frauen und Minderjährige freigelassen.

5 Tage hatten Hunderte Bauern in dem Ort El Tule, 260 Kilometer östlich von Managua, die Verbindungsstraße zur Provinzstadt San Carlos besetzt. Sie hielten alle Fahrzeuge und Chinesen auf. Der chinesische Investor Wang Jing, der vergangenes Jahr die Konzession für den Kanalbau bekam, ließ nämlich bereits seine Leute ausschwärmen, um Grundstücke zu identifizieren, die für die 278 Kilometer lange Wasserstraße enteignet werden sollen. Obwohl der Unternehmer allen Betroffenen eine angemessene Entschädigung zusicherte, herrscht bei den Bauern Verunsicherung. Gegen das Projekt hat sich eine Bürgerplattform konstituiert, die eine ökologische Katastrophe befürchtet. Schließlich soll der Kanal durch den Nicaraguasee führen, das größte Süßwasserreservoir Zentralamerikas. Der See müsste ständig ausgebaggert werden, um etwa Öltankern eine Fahrrinne von über 26 Metern Tiefe zu bieten.

Wang Jing will mit einem Börsengang seines Kanalunternehmens die notwendigen Investitionen von schätzungsweise 50 Milliarden US-Dollar finanzieren. Gegner des Kanalprojekts kritisieren, dass schon mit Bauarbeiten begonnen wird, bevor die Umweltverträglichkeitsprüfung im Frühjahr abgeschlossen ist. Vor allem Präsident Daniel Ortega scheint es eilig zu haben. Er versprach seinen Landsleuten mindestens 50.000 Arbeitsplätze. Die Gegner des Projekts werden in den regierungsnahen Medien als rechtsextreme Agitatoren diffamiert. Der Kanal soll jenen etwa 2 Prozent der Welthandelsflotte Platz bieten, die für den erweiterten Panamakanal zu breit sind. RALF LEONHARD