Blick zurück in die Zukunft

El Hierro, die südwestlichste der Kanarischen Inseln, hat große Teile ihres Territoriums unter Naturschutz gestellt – es ist ihr touristisches Kapital. Von der Inselregierung gefördert werden kleine Projekte, die sich langsam, aber stetig entwickeln. El Hierro setzt auf nachhaltigen Tourismus

VON PETRA SCHROTT

Für die alten Seefahrer, die aus Südamerika zurücksegelten, war der Anblick von El Hierro ein erster Lichtblick für die Rückkehr nach Europa. Die südwestlichste kanarische Insel liegt noch immer abseits touristischer Ströme. Die winzigen Maschinen starten auch schon mal vorzeitig von den hektischen Nachbarinseln, wenn der letzte Passagier eingestiegen ist.

Einige unangenehme Entwicklungen der Neuzeit scheinen hier nie angekommen zu sein. Die Bewohner leben zwar nicht mehr wie die Bimbachen, die Ureinwohner, aber ihre Einnahmen kommen noch immer größtenteils aus der Landwirtschaft und dem Fischfang. Auf umweltverträgliche Methoden muss man sich nicht zurückbesinnen, weil sie vielfach nie geändert worden sind. In der Rückschrittlichkeit liegt eine Chance für die Zukunft.

1996 bewarb sich die Insel bei der Unesco um den Status als Biosphärenreservat. El Hierro war die erste Insel, die sich traute, 60 Prozent ihres Landes und weite Teile der Unterwasserwelt unter Naturschutz zu stellen. Alle touristischen Pläne sind einer nachhaltigen und umweltgerechten Entwicklung untergeordnet.

Biobauern, Fischer und Hotelbesitzer ziehen an einem Strang. Es ist eine Bewegung die von der Bevölkerung ausgeht. „Biosphäre ist für uns ein Synonym für Lebensqualität. Wir sehen einen Fortschritt darin, die Insel für zukünftige Generationen zu bewahren. Das ist eine Strategie von unten nach oben,“ sagt César Espinosa Padrón, der Direktor des Biosphärenreservats. Von der Inselregierung gefördert werden kleine Projekte, die sich langsam entwickeln. Das setzt Geduld und einen langen Atem voraus. In ein modernes Biomärchen gehört natürlich auch der Plan einer hundertprozentigen Energieversorgung aus natürlichen Quellen. Irgendwann soll das bestehende Heizkraftwerk von erneuerbarer Windenergie abgelöst werden und nur noch für Notfälle da sein. In einem Kraterloch soll ein Wasserkraftwerk entstehen.

Mit der Entdeckung einer Süßwasserquelle unter der Insel ist das Problem des Wassermangels gelöst. Seefahrer trugen die Legende vom wasserspendenden Baum, der die Wolken gemolken hat, hinaus und machten den heiligen Stinklorbeer zum Weltwunder. Heute wird das nüchterner beschrieben. Passatwinde streifen durch die Äste und fangen die Feuchtigkeit, die herabtropft und dann in Tongruben gesammelt wird. Das Prozedere um den heiligen Baum kann noch heute von Touristen bestaunt werden.

Obwohl heute fast jeder Haushalt Internetanschluss hat, verbreiten sich die lokalen Nachrichten auf El Hierro von Mund zu Mund. Eine Sturmwarnung gelangt so noch bis in die entlegenste Ecke der Insel. Für die Kinder heißt das schulfrei. Die Menschen sind in der Abgeschiedenheit aufeinander angewiesen. Noch immer ist die Inselwirtschaft von der Milcherzeugung bis zum Taxiunternehmen in Kooperativen organisiert.

Zeitgleich mit der Bewerbung um den Biosphärenstatus sorgten Pläne aus Madrid für einen Volksaufstand. Die Zentralregierung wollte auf El Hierro eine Satellitenabschussbasis installieren. 900 wütende Inselbewohner charterten ein Schiff und demonstrierten mit 20.000 Kanaren gegen dieses Vorhaben auf Teneriffa. Der Protest war erfolgreich. Auch gegen eine geplante Radaranlage zur Flugüberwachung wehren sich die Inselbewohner von El Hierro. „ NO radar“ steht überall auf der Insel in grünen Lettern.

El Hierro wirbt um Individualreisende, die grünen Tourismus schätzen. Die Hauptstadt Valverde ist in wenigen Minuten durchschritten. Die Auslagen der Modegeschäfte wirken wie Relikte aus einer anderen Zeit. Wer schnelle Abwechslung sucht, ist hier fehl am Platz. Ideal ist die Insel mit 30 Kilometern Durchmesser für Wanderer, die keine langen Strecken scheuen. Landschaftliche Abwechslung garantieren 1.000 Vulkane. Auch die Liebhaber der Pflanzen kommen auf ihre Kosten. Gelb blüht das Seidengoldhaar in der Stricklava in 300 Höhenmetern. Einzigartig ist der Sabinawald, eine Wacholderart, die vermoost und zerzaust dem Wind gebückt seit Jahrhunderten trotzt.

Man glaubte, dass Gallotia simonyi , eine Rieseneidechse, ausgestorben ist, bis sie 1975 an den schroffen Hängen Fronteras von einem Hirten entdeckt wurde. Nun kümmert sich das Ecomuseum Guinea um die Wiederaufzucht und Erforschung der Echse, die 26 Millionen Jahre alt sein soll. Mit eingepflanzten Mikrochips wird Lagarto Gigante in der Wildnis ausgesetzt und beobachtet. Juan Pedros, der stämmige Nachfahre des Entdeckers, klettert zur Zählung der Tiere mit seinem Hirtenstab die steile Wand herauf als sei es ebenes Gelände.

Nicht versäumen sollte man einen Besuch des Mirador de la Péna. In den Abhang hat der kanarische Architekt César Manrique ein Restaurant gebaut. Unter den unscheinbaren, bemoosten Steinen, die sich perfekt in die Natur fügen, führt eine Treppe ins Restaurant. Durch die gläserne Front hat man eine gigantischen Aussicht auf El Golfo, die fruchtbare Ebene der Insel tief unten.

Hoteltipp: Punta Grande, das kleinste Hotel der Insel, ein umgebauter Lagerspeicher, 4 Zimmer inmitten der Brandung, 70 € Info: www.spain.info