Schuldig, aber dennoch frei

JUSTIZ Oberlandesgericht Düsseldorf erklärt ruandische Hutu-Miliz FDLR zur terroristischen Vereinigung und verurteilt drei ruandische Unterstützer

„Die Miliz FDLR begeht Völkermord, egal wo sie ist“

EINER DER ANGEKLAGTEN

AUS DÜSSELDORF DOMINIC JOHNSON

An einem Ende der Zuschauerreihen sitzen die BKA-Beamten, die vor genau zwei Jahren, am 5. Dezember 2012, in Köln und Bonn drei in Deutschland lebende Ruander festgenommen hatten. Am anderen Ende sitzen deren Familienangehörige. Schweigend lauschen sie alle hinter der Glaswand im Hochsicherheitsgebäude des Oberlandesgerichts Düsseldorf, wie kurz nach 10 Uhr das Urteil fällt: Alle drei sind der Mitgliedschaft beziehungsweise Unterstützung einer terroristischen Vereinigung schuldig.

Zwei Stunden später die Überraschung: Alle drei kommen frei, denn eine Haftstrafe ist auf Bewährung und die anderen Haftbefehle werden gegen Meldeauflagen außer Vollzug gesetzt.

Eigentlich ist es ein historisches Urteil, das der Strafsenat 6a des OLG Düsseldorf an diesem Freitag gefällt hat. Die ruandische Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas), die seit vielen Jahren im Ostkongo für grausame Verbrechen verantwortlich gemacht wird, gilt nun amtlich als „terroristische Vereinigung“. Von sexueller Gewalt und Mord ist die Rede, von 536 getöteten Zivilisten allein zwischen 2010 und 2012.

Seit 2009, so die Vorsitzende Richterin Stein in ihrer Urteilsbegründung, verfolge die Miliz – die aus jenen Kräften hervorgegangen ist, die 1994 in Ruanda den Völkermord an den Tutsi verübten – im Ostkongo die Strategie, die „gesamte Bevölkerung als Feind anzusehen“. Damals sei als Reaktion auf Militärschläge befohlen worden, eine „humanitäre Katastrophe“ anzurichten. „Dieser Befehl wurde seit 2009 immer wieder in die Tat umgesetzt.“ Und dies waren „nicht eigenmächtige Einzelaktionen marodierender Truppen, sondern groß angelegte Bestrafungsoperationen“.

Wegen dieser Verbrechen kamen im Mai 2011 in Stuttgart die in Deutschland lebenden höchsten politischen Führer der FDLR, Präsident Ignace Murwanashyaka und sein Vize Straton Musoni, vor Gericht. Damals bat Murwanashyakas Anwalt Gallas bei einem Treffen in Köln Bernard T., Félicien B. und Jean-Bosco U., als politische Flüchtlinge aus Ruanda anerkannt und deutsche Staatsbürger, bei der Suche nach Entlastungsmaterial zu helfen.

Also nahm Bernard T. Kontakt zu seinem Schwager Alphonse Monaco auf, FDLR-Kader in Mosambik, und Jean-Bosco U. zu seinem Großneffen Stany Gakwerere, FDLR-Kommandeur im Ostkongo. Konkret halfen die drei danach der FDLR-Führung mit Presseerklärungen: Sie korrigierten Entwürfe, formatierten sie, verbreiteten sie. Eine „FDLR-Zelle“ war entstanden, wie es Staatsanwalt Barthe in seinem Plädoyer ausdrückte. Richterin Stein betonte, die FDLR sei „eine besonders gefährliche terroristische Vereinigung. Daran ändert der Umstand nichts, dass die Verbrechen in 6.000 Kilometer Entfernung stattfanden und besonders leicht in Vergessenheit geraten. Umso gefährlicher ist es, sie mit Pressearbeit zu verteidigen.“

So wurden jetzt Bernard T. und Félicien B. wegen „mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland“ schuldig gesprochen, Jean-Bosco U. wegen „Unterstützung in fünf Fällen“. Aber sie kommen alle auf freien Fuß - weil sie alle geständig gewesen sind und Reue gezeigt haben.

Die Signalwirkung des Urteils besteht in der Einstufung der FDLR an sich. „Erstmals in der deutschen Rechtsgeschichte wurde eine Organisation, bei der Kriegsverbrechen im Mittelpunkt stehen, als terroristische Vereinigung festgestellt“, sagte Oberstaatsanwalt Christian Ritscher der taz.

Und das ausgerechnet in einer Zeit, in der die UN-Mission im Kongo unter ihrem deutschen Leiter Martin Kobler, der in Düsseldorf als Zeuge ausgesagt hat, mit der FDLR Gespräche führt. Erst vergangene Woche flog die UNO Einheiten der FDLR in Militärlager weit weg von ihrem Kampfgebiet. Mit scheinbarem guten Willen will die Miliz vermeiden, dass UN-Beschlüsse umgesetzt werden, ab 2. Januar 2015 militärisch gegen sie vorzugehen. An den guten Willen der FDLR glauben die Angeklagten in Düsseldorf nicht mehr. Einer wurde von seinem Anwalt in dessen Schlussvortrag mit den Worten zitiert: „Die FDLR hat immer die Schwächsten attackiert. Wegen einer Ziege werden kleine Mädchen vergewaltigt.“ Man müsse die Miliz jetzt „bekämpfen“, denn „sie begeht Völkermord, egal wo sie ist“.

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