Uni verbietet sich Kritik an Professor

HOCHSCHULE An der Humboldt-Universität wollen sich linke Studierende mit den provokanten Thesen eines Geschichtsprofessors zur Nazi-Zeit auseinandersetzen. Der Uni ist das überhaupt nicht recht

Der Streit über die Darstellung der NS-Zeit durch einen Historiker der Humboldt-Universität (HU) entbrennt erneut. Jörg Baberowski, Lehrstuhlinhaber für die Geschichte Osteuropas, hatte sich im Februar in einem Interview relativierend über Hitler geäußert. Eine linke Studentengruppe kritisiert diese Äußerungen. Der Leiter des historischen Instituts der HU fordert Lehrende und Studierende nun auf, Baberowski gegen die kritischen Studenten zu verteidigen.

„Das ist ein Hammer“, sagt Johannes Schott, ein Sprecher der Studentengruppe IYSSE. „Uns die Kritik zu verbieten geht zu weit.“ Am Dienstag schrieben Vertreter von IYSSE, der Jugendorganisation der trotzkistischen Partei für soziale Gleichheit, einen offenen Brief an die Leitung der Hochschule. Darin fordern sie vor allem die Rückkehr zur sachlichen Kritik. Die HU-Leitung äußert sich zu dem Schreiben auf Nachfrage der taz nicht, weil sie die Vorwürfe als „haltlos“ erachtet, so ein Sprecher.

Im Februar hatte Jörg Baberowski dem Nachrichtenmagazin Spiegel gesagt: „Hitler war kein Psychopath, er war nicht grausam. Er wollte nicht, dass an seinem Tisch über die Judenvernichtung geredet wird.“ Außerdem äußerte sich Baberowski in dem Artikel milde über den Historiker Ernst Nolte, dem vorgeworfen wird, die NS-Zeit zu verharmlosen. „Baberowski relativiert den Holocaust“, erklärt dazu Schott. „Es ist von Bedeutung, dass solche Ansichten an der Universität gelehrt werden dürfen.“ Die Studentengruppe IYSSE hatte auf den Spiegel-Artikel mit einer Veranstaltung reagiert.

Im Oktober gab es für die Studierenden erneut Anlass, Baberowski zu kritisieren. Der Historiker sagte auf einer Diskussion im Deutschen Historischen Museum über den Kampf gegen den IS-Terror: „Und wenn man nicht bereit ist, Geiseln zu nehmen, Dörfer niederzubrennen und Menschen aufzuhängen und Furcht und Schrecken zu verbreiten, wie es die Terroristen tun, wird man eine solche Auseinandersetzung nicht gewinnen“. Wieder wollten die Studenten sich in einer Veranstaltung kritisch mit dem Gesagten auseinandersetzen, doch die HU-Leitung schritt ein. Sie sprach von „Schmähung“ gegen Universitätsmitglieder.

Die Veranstaltung fand dennoch statt. „Wir haben positive Resonanz erhalten von vielen Studierenden und Lehrenden“, sagt der Sprecher von IYSSE. Aber Gegner haben sie auch. Während Baberowski selbst noch gar nicht auf die Vorwürfe der Studentengruppe reagiert hat, äußerte sich der Leiter des Historischen Instituts der HU, Peter Burschel, mit einer öffentlichen Stellungnahme auf der Institutswebsite: „Das Institut beobachtet mit Sorge, dass die wissenschaftliche Reputation eines angesehenen Gelehrten durch Unterstellungen angegriffen wird, die den Rahmen einer legitimen Auseinandersetzung weit überschreiten und Übergriffe auf die grundgesetzlich geschützte Freiheit der Lehre darstellen.“

Diese Stellungnahme solle entfernt werden, die „Freiheit der Kritik“ werde dadurch angegriffen, fordern die IYSSEler in ihrem offenen Brief. Schott sagt, es gehe in dieser Auseinandersetzung nicht nur um Baberowski. Die Relativierung der NS-Zeit und positive Äußerungen über Kriegsgewalt seien Teil einer beunruhigende Entwicklung an deutschen Universitäten. „Wir sehen es als unsere Pflicht, das aufzuzeigen“, sagt er. ANNA BORDEL