Schlammschlacht des Wirtschaftsforschers

DIW-Chef macht eine „Kampagne von linken keynesianischen Kreisen“ für den Verlust eines Auftrages verantwortlich

BERLIN taz ■ Verschwörungstheorien sind gemeinhin nicht das Fachgebiet von Konjunkturforschern. Doch zu diesem Instrument greift nun das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), um gegen eine Entscheidung der Bundesregierung zu protestieren: „Linke keynesianische Kreise“ seien dafür verantwortlich, dass das Institut nicht mehr an deren Konjunkturprognosen mitarbeiten dürfe, teilte das DIW am Dienstag mit.

Die Bundesregierung hatte die so genannte „Gemeinschaftsdiagnose“ (GD) europaweit mit dem Ziel neu ausgeschrieben, „zu besser fundierten Ergebnissen“ zu kommen. Denn die seit 1950 durchgeführte Untersuchung war in den letzten Jahren in die Kritik geraten, weil die Prognosen der Forscher zunehmend daneben lagen.

Das DIW ist das einzige der traditionell fünf beteiligten Institute, das für die nächsten drei Jahre von den Konjunkturgutachten ausgeschlossen wird. Eine sichere Einnahmequelle bleibt der mit jährlich insgesamt 1,3 Millionen Euro dotierte Auftrag weiter für das Kieler Institut für Weltwirtschaft, das Rheinisch-Westfälische Institut, das Ifo-Institut in München sowie das Institut für Wirtschaftsforschung in Halle. Neu hinzu kommen als Konsortialpartner zwei Forschungsinstitute aus Wien, eines aus der Schweiz sowie das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung IMK. Dessen Direktor Gustav Horn leitete bis 2003 die Konjunkturabteilung des DIW – bis er vom neuen Institutschef Zimmermann geschasst wurde. Querdenker wie Horn wurden von Zimmermann wiederholt aus dem DIW entfernt. Im April hatte der DIW-Chef etwa seinen langjährigen Steuerschätzer Dieter Vesper in den Urlaub geschickt, nachdem dieser mit hohen Steuerprognosen Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) in Bedrängnis gebracht hatte.

Zimmermann sieht sein Institut nun als das Opfer einer linken Kampagne, denn schon während des laufenden Rennens um die Gemeinschaftsdiagnose wurde das Wirtschaftsministerium in Zeitungsberichten zitiert, es bemängele Personalprobleme und fachliche Defizite in der DIW-Konjunkturabteilung. „Diese Artikel wurden vom Wirtschaftsministerium nicht dementiert“, kritisiert Zimmermann und spricht in diesem Zusammenhang von „Rufmord“.

„Dass der Auftrag an Herrn Horn ging, ist in diesem Zusammenhang sicherlich nicht zufällig“, sagte Zimmermann der taz. Auch die Beteiligung an der jetzigen Ausschreibung des ehemaligen DIW-Forschers und Horn Mitarbeiters Andreas Cors als Berichterstatter des Wirtschaftsministeriums gehöre „zu den interessanten Auffälligkeiten“.

Der zuständige Staatssekretär im Wirtschaftsministerium Walther Otremba bezeichnete die Vorwürfe gegenüber der taz als „absurd“. „Wir haben ein absolut faires Ausschreibungsverfahren durchgeführt“, sagte Otremba. Allein die Leistungsfähigkeit der Institute habe für die Vergabe gezählt. „Das DIW belegt in dieser Rangliste nur Platz sieben. Den Zuschlag können aber nur maximal vier Konsortien erhalten“, sagte Otremba.

Der gescholtene Gustav Horn sieht die Sache gelassen: „Wir freuen uns, dass wir dabei sind“, sagte er der taz. Zimmermanns Vorwürfe wollte er nicht kommentieren. TARIK AHMIA