Gemütlich wie eine Picknickdecke

WALDSCHRATBÄRTE Verträumt wie ein Mädchenzimmer, leicht wie ein französischer Strandfilm: Die Neo-Folk-Band Vetiver trat im Postbahnhof auf. Und rettete den Abend am Schluss, indem sie etwas Funk wagte

Ein Schlaks, ein Holzfäller und eine Keyboarderin, die aussah wie aus Twin Peaks

VON RENÉ HAMANN

Sie spielten für uns. Aber das Wetter war zu gut, der Abend zu lau und die Lokation wohl mal wieder die falsche. Vetiver aus San Francisco waren am Morgen erst aus New York angereist, hatten Radioshows und Promotermine hinter sich gebracht, und jetzt spielten sie in der kleineren Halle im Postbahnhof am Ostbahnhof vor circa 40 Leuten. Das war schade, aber egal. Denn Band und Publikum machten das Beste daraus.

Vetiver gründeten sich bereits 2004, haben sich im Laufe der Zeit bis aufs legendäre Sub-Pop-Label hochgearbeitet und machen einen angenehmen Folk Pop, wie er gerade und auch schon wieder seit circa fünf Jahren gern gesehen und gern gehört ist. Die Blaupause für die Band um den Liedermacher Andy Cabic sind wohl die Byrds, also jene 60s-Band aus Kalifornien, die als erste Folk mit Pop vermischten und mit Interpretationen von Bob-Dylan-Songs die Spitzen der Charts erreichten. Vetiver wiederum könnten die erste Konkurrenz der Fleet Foxes sein. Aber die Fleet Foxes füllen das Huxley’s, weil sie eine Art Einsiedlersoul spielen, die bei aller an Kitsch grenzender Schönheit von Brüchen und Niederlagen weiß, und weil sie aus Harmonie Erhabenheit schaffen können. Vetiver wiederum spielen ein Set, das eben eine Spur zu flockig ist, zu harmlos, zu normal, um mehr Herzen und Beine zu erreichen (von Köpfen mal ganz abgesehen).

Denn das war und ist eben ihre Musik: verträumt wie ein Mädchenzimmer, leicht wie ein französischer Strandfilm und gemütlich wie eine Picknickdecke. Auch mit diesen Karos. Eigentlich also der perfekte Sound für einen lauen Sommerabend. Am schönsten klang das dann, wenn Vetiver ein paar verhallte Autobahngeräusche einbauten.

Aber manchmal war es eben auch so langweilig wie ein einsamer Zeltplatz. Da half auch keine Version von „The Streets of Your Town“ (im Original von den Go-Betweens), das eben zu nahe am Original war und das Original wiederum zu nahe am Vetiver-Sound. (Den Biss und Charme von Foster/McLennan hatten sie nicht.) Auch kleinere Jam-Adressen und Ausflüge in den Rock machten es nicht spannender.

Ein schöner Anblick war die Band dazu auch nicht unbedingt. Zwei von ihnen hatten diese Waldschratbärte; dazu trugen zwei diese lustigen Hüte. Ein Schlaks, ein Holzfäller und eine Keyboarderin, die aussah wie die Telefonistin der Polizeiwache in Twin Peaks. Neuer Folk halt.

Am Ende retteten Vetiver den Abend mit ein paar Nummern, die etwas Funk wagten. Namentlich „Occasional“ vom neuen Album „The Errant Charme“ und „More of This“ vom Vorgänger. Da schwingte und klingte es, da wurde der Abend beinahe tropisch – und Vetiver, was eigentlich ein tropisches Süßgras bezeichnet, machten ihrem Namen alle Ehre. Und das begeisterungsfähige Publikum erklatschte sich zwei Zugaben.