BKA-Ermittler fahnden im Biergarten

Die Hausdurchsuchungen gegen mutmaßlich militante G8-Gegner entpuppen sich immer mehr als Pannenserie. Ein Beschuldigter wurde vorab informiert, bei einem anderen die Hausnummer falsch notiert. Nach ihm wird weiter gefahndet

AUS BERLIN FELIX LEE
UND CHRISTOPH VILLINGER

Bei den Hausdurchsuchungen gegen mutmaßliche G8-Gegner sind den Ermittlern des Bundeskriminalamts (BKA) gehörige Patzer unterlaufen. Einer der insgesamt 21 Beschuldigten, gegen den die Bundesanwaltschaft wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung ermittelt, ist versehentlich durch ein Schreiben des Einwohnermeldeamts vorab informiert worden. Nun hat es nach taz-Informationen weitere Pannen gegeben. Ein weiterer Beschuldigter wurde am Tag der Razzia gar nicht erst aufgesucht. Der Grund: die Ermittler hatten sich in der Hausnummer geirrt.

Notiert hatten sich die Beamten die Oranienstraße 1 in Berlin-Kreuzberg. Doch jeder Kreuzberger weiß, dass dort niemand wohnt. Auf der ehemaligen Brache befindet sich ein Biergarten. Verzweifelt hätten die Beamten die Straße abgeklappert und Passanten befragt, erzählt der Gesuchte. Doch erfolglos. Nun wird stadtweit nach ihm gefahndet. Ob er sich freiwillig stellen werde? „Wenn sie was von mir wollen, sollen sie mich offiziell anschreiben.“ Dazu müssten sie aber so geschickt sein und die korrekte Adresse herausfinden. Ihm sei zumindest nicht bekannt, dass er beim Einwohnermeldeamt falsch registriert ist. Er hofft zugleich, dass sich die Suche nicht zu lange hinzieht. „Ist ja nervig, ständig auf sie warten zu müssen.“

Die Ermittler hatten am Tag der Großrazzia auch die Arbeitsstätte des Beschuldigten aufgesucht. Seit Oktober ist er als Ein-Euro-Jobber an einer Grundschule in Kreuzberg als Erzieher angestellt. Auf Anweisung der Schulaufsichtsbehörde wurde der Träger nun aufgefordert, den Beschuldigten zu suspendieren. Bisher ist der Träger dieser Aufforderung nicht nachgekommen. Der Beschuldigte hat jedoch freiwillig Urlaub genommen. „Ich will doch keine blöden Bullen-Szenen im Beisein von Kindern.“

Dilettantisch müssen die Ermittler auch bei einem dritten Berliner Beschuldigten vorgegangen sein. Er entdeckte am Wochenende an seinem Auto einen GPS-Peilsender. Das Gerät befand sich im vorderen linken Radkasten und war mit einem starken Magneten befestigt. „Ich sehe es als ein Zeichen leiser Verzweiflung der Verfolgungsbehörden an, wenn sie meinen, durch Satellitenpeilung der geheimen Verschwörung zum Schreiben eines Buches auf die Spur kommen zu müssen“, sagte der Betroffene. Nach eigenen Angaben ist er Mitglied des Autorenkollektiv „AG Grauwacke“ und damit Mitverfasser des vor vier Jahren erschienenen Buches „Autonome in Bewegung“. Einige Durchsuchungen begründete das BKA damit, dass die Autoren mehrere Brandanschläge während der Berliner IWF-Tagung 1988 gestanden hätten und nun nach diesem Vorbild eine militante Kampagne gegen den G8-Gipfel vorbereiteten. Im Buch sind solche Geständnisse jedoch nicht zu finden. Der Betroffene rät „allen anderen Mitbetroffenen, ihre Autos gründlich zu untersuchen“.

Hanebüchen auch die Argumentationskette bei einem vierten Durchsuchungsbefehl. Darin wird dem Beschuldigten vorgeworfen, an einem vor wenigen Monaten verübten Brandanschlag auf das Berliner Unternehmen Dussmann beteiligt gewesen zu sein. Das Indiz für diese Annahme: Der Beschuldigte hätte im Internet mal nach „Dussmann“ recherchiert. Dussmann unterhält unter dem gleichen Namen eines der größten Bücherkaufhäuser der Stadt.

Die Razzia der vergangenen Woche motiviert offenbar zu weiteren Anschlägen: Unbekannte haben in Hamburg ein Luxushotel mit Farbbeuteln beworfen. Der Staatsschutz hat die Ermittlungen übernommen.