Wenig, aber von vielen

PARADOX Etwas bezahlen, das man kostenlos bekommen hat? Auf taz.de funktioniert das

Anfang April hat die taz die Kampagne „taz-zahl-ich“ gestartet. Auf taz.de erscheint seitdem unter jedem Artikel die Einladung zu einem Paradox, zur Bezahlung von etwas, was man gerade kostenlos konsumiert hat: einen von über hundert neuen Artikeln, Reportagen und Kommentaren der taz, die frei zugänglich und kostenlos im Netz stehen. Viele Zeitungsverlage finden, dass das nicht so bleiben kann, und ziehen Bezahlschranken hoch oder reduzieren die Qualität ihrer Online-Nachrichten auf billiges Agenturmaterial. Die taz geht einen dritten Weg: Sämtliche Beiträge sollen frei und kostenlos zugänglich bleiben, doch auf der Startseite und unter jedem Artikel findet sich der „taz-zahl-ich“-Button. Als Bitte für ein Dankeschön, als Appell an die Fairness, als Möglichkeit, die Qualität und Unabhängigkeit des Online-Journalismus der taz auch in Zukunft zu gewährleisten.

Der Start des Experiments läßt für die Zukunft hoffen: Knapp 10.000 Euro sind in den ersten zwei Monaten eingegangen. Deutlich zu wenig, um die Kosten für taz.de einzuspielen, die weniger als zur Hälfte durch Anzeigenerlöse gedeckt werden. Aber doch ein sehr guter Anfang für die Etablierung einer Lösung jenseits von Bezahlschranken und 08/15-Journalismus. Eine Kultur des freiwilligen Bezahlens. Eine solche will die taz nicht nur aktiv entwickeln, sondern auch über den eigenen Tellerrand hinaus darüber berichten – mit einem Schwerpunkt „Freiwilliges Bezahlen auf taz.de“ und einem Blog zum Thema „Crowdfunding“: Wir wollen wenig, aber von vielen. Als seit je genossenschaftlich organsiertes Unternehmen verfügt die taz zwar über viele Erfahrungen in Sachen solidarischer Finanzierung, doch lassen sich diese nicht eins zu eins in die digitale Welt übertragen. Deshalb haben wir GründerInnen und Pionier-DenkerInnen aus dem Bereich Crowdfunding angesprochen und bieten ihnen auf blogs.taz.de eine Plattform über ihre Erfahrungen zu berichten, sich über alternative digitale Finanzierungskonzepte auszutauschen und andere an ihrem Wissen teilhaben zu lassen. Nicht nur für den Online-Journalismus, auch für soziale, kulturelle, politische und kreative Projekte bietet Crowdfunding neue Perspektiven. Die Kultur des freiwilligen Bezahlens steckt noch in den Kinderschuhen – doch mit dem erfolgreichen Start von „taz-zahl-ich“ und einer Blog-Plattform, auf der sich die Pioniere der Schwarmfinanzierung austauschen und voneinander lernen, sind gute Vorausetzungen geschaffen, der Idee solidarischer Finanzierung zu nachhaltigem Wachstum zu verhelfen.

MATHIAS BRÖCKERS

Mehr Informationen: www.taz.de/taz-zahl-ich

blogs.taz.de/wirwollenwenig