21 Zivilisten sterben bei Luftangriff

Immer mehr afghanische Zivilisten kommen bei Angriffen der Nato oder der US-geführten Truppen ums Leben – rund 100 in den letzten zwei Wochen. Bevölkerung und Regierung Afghanistans fordern wütend ein Ende dieser „Kollateralschäden“

VON ANETT KELLER

Bei Luftangriffen von US-Truppen im Süden Afghanistans sind am Dienstagabend nach Angaben lokaler Behörden mindestens 21 Zivilisten getötet worden. Wie der Gouverneur der südlichen Provinz Helmand, Asadullah Wafa, gestern mitteilte, wurden Wohnhäuser im Bezirk Sangin beschossen, nachdem sich Taliban dorthin geflüchtet hätten. Sangin ist für seine reiche Opiumproduktion und als Hochburg der Aufständischen bekannt. Nato-Koalitionstruppen und afghanische Soldaten hatten Sangin im vergangenen Monat von den Taliban zurückerobert. Unter den Opfern des gestrigen Bombardements seien auch viele Frauen und Kinder, so Wafa. Ein US-Militärsprecher erklärte hingegen, von zivilen Opfern nichts zu wissen.

Bei den Kämpfen wurde auch ein Soldat der US-geführten Koalitionstruppen getötet. Seit Jahresbeginn sind in Afghanistan 48 Soldaten der Koalitionstruppen ums Leben gekommen.

Fast doppelt so viele zivile Opfer gab es afghanischen Angaben zufolge allein in den letzten zwei Wochen. Die steigende Zahl der „Kollateralschäden“ bringt die Bevölkerung zunehmend gegen die ausländischen Soldaten auf. Anfang der Woche erst leiteten die Vereinten Nationen nach Berichten über Luftangriffe mit mehr als 50 getöteten Zivilisten eine Untersuchung ein. Es sei zu klären, ob die afghanischen und US-Truppen bei ihren Einsätzen am vorletzten Wochenende „unüberlegt Gewalt eingesetzt“ haben, so die Afghanistan-Mission (Unama). Nach Militärangaben waren bei den Kämpfen in der westlichen Provinz Herat 136 mutmaßliche Taliban getötet worden. Der Provinzrat hingegen sprach von 51 zivilen Opfern. Hunderte von Demonstranten skandierten daraufhin auf einer Demonstration in der betroffenen Region„Tod für Amerika“.

Angesichts der zunehmend aufgeheizten Stimmung richtete auch Präsident Hamid Karsai in der letzten Woche ungewohnt deutliche Worte an die ausländischen Truppen im eigenen Land: „Wir können zivile Opfer und die Art, wie sie ausgelöst werden, nicht mehr hinnehmen“, rügte Karsai in Kabul die Vertreter von Nato und US-geführter Koalition. Es werde langsam „ärgerlich“ für sein Land. Die Last für Afghanistan sei zu groß, „und wir sind sehr unzufrieden“.