DIE REALITÄT DER FIKTION: KARINA NIMMERFALLS KINEMATOGRAFISCHE LANDKARTE VON NEW YORK

Zwei Jahre lang, von 2004 bis 2006, hat Karina Nimmerfall in den Straßen von Manhattan, Brooklyn und Queens fotografiert. Die Berliner Künstlerin nahm dabei das „Starland Hotel“ in der 38sten. Straße, 346 West, auf oder das Türkische Bad in der 8ten Straße, 143 East. So jedenfalls steht es neben den Fotografien vermerkt, weiß auf schwarz. Was nun das Apartment von Bill Turbit angeht, in der Linwood Street 106, in Brooklyn, so möchte man doch hoffen, dass der gute Mann dort nicht wirklich wohnt. Schließlich handelt es sich bei der Adresse um einen überdachten Autostellplatz. Ähnliches gilt für „Starland Hotel“ und das Türkische Bad. Die Unstimmigkeiten zwischen den Ortsangaben und dem, was just an dieser Stelle tatsächlich zu sehen ist, erstaunen in dem Moment nicht mehr, in dem man erfährt, dass die Adressenangaben der amerikanischen TV-Serie „Law and Order“ entstammen. Als weißer Schriftzug in einer schwarzen Zwischenblende ersetzen sie dort den sonst üblichen „Establishing shot“. Tatsächlich wird die Serie vor Ort, an realen Schauplätzen gedreht. Doch diese werden – aus juristischen Gründen – im entscheidenden Moment fiktionalisiert. Wie dann aber die Realität der Fiktion ausschaut, zeigen Karina Nimmerfalls „Cinematic Maps“ (Hrsg. von Maren Lübbke-Tidow, mit einer Einführung von Raimar Stange und einem Essay von Norman M. Klein. Edition Camera Austria, Graz 2007, 120 Seiten, 18 €). Kein einziger der Orte, den Nimmerfall recherchierte, steht mit dem New-York-Bild der Unterhaltungsindustrie in Einklang. Statt ikonisch wirken sie unspezifisch, wenngleich in ihrer ausgesuchten Belanglosigkeit manchmal durchaus poetisch. Die gegen jede mediale Vereinnahmung immunen Orte, die Medien, wer sonst, kennen sie längst. BRIGITTE WERNEBURG