Häuser von der Stange

EIGENHEIM In Deutschland wächst der Absatz von Fertighäusern. Dabei kann ein Architekten-Haus Vorteile bieten – und muss nicht zwangsläufig teurer sein

„Bauen mit einem Architekten muss nicht teurer als ein Fertighaus sein“

Jürgen Krolkiewicz, Autor

VON JOHANN TISCHEWSKI

121 Quadratmeter Nettogrundfläche. Links von der Diele die Küche, geradezu das Wohnzimmer, schräg rechts eine Treppe zum oberen Geschoss. Die Küche und das darüber gelegene Schlafzimmer ein wenig dunkel, das Wohnzimmer mit seiner großen Glastür zum Garten umso heller. Bei offener Haustür oder Wohnzimmerfenster alles etwas zugig. Wem das bekannt vorkommt, der wohnt wie 16.000 andere Deutsche auch im Flair 113. In fast jedem Neubaugebiet steht mindestens eine Variante von Flair 113. Das zwischen 120.000 und 150.000 Euro teure Haus ist das meist verkauften Kataloghaus Deutschlands.

Der Großteil der hierzulande gebauten Eigenheime kommt mittlerweile aus dem Katalog. Dabei ist die Spannbreite gewaltig. Fertighäuser – in der Fabrik vorgefertigte Häuser – machen nur rund 15 Prozent der gebauten Häuser aus. Die meisten Kataloghäuser sind Massivhäuser und werden in Stückzahlen unter 500 Exemplaren gebaut.

Mit insgesamt sechs Unternehmen, die Kataloghäuser anbieten, hat sich Claudia Lucks auseinander gesetzt. Mit zwei hat sie intensive Gespräche geführt, Entwürfe für ihr Eigenheim lagen bereits vor. Doch dann hat sie sich genervt von dem Vorhaben Kataloghaus verabschiedet und sich an den freien Architekten Kai Jacobsen gewand. „Nur das kleinste bisschen Individualität ist für die Kataloghausanbieter schon zu viel“, sagt sie.

Sie baut auf einem etwas abfälligen Grundstück in Asendorf bei Buchholz in der Nordheide. Keiner von den Architekten der Katalogbaufirmen sei auf die Idee gekommen, sich das Grundstück und die Umgebung anzusehen, bevor sie ihr die ersten Pläne auf den Tisch knallten. Sie will ein Haus mit zwei Einheiten, eine für sich und eine für ihre Eltern. Die Einheiten sollen separat von einander entstehen, aber trotzdem in einem Gebäude. Außerdem hat sie Hunde, für die sie eine Reinigungsschleuse braucht. Diese Besonderheiten sprengten bereits den Rahmen aller Kataloge.

Seit sie mit Jacobsen zusammenarbeite, hätten sich all die vermeintlichen Probleme dagegen in Luft aufgelöst. „Wir haben uns mit dem Architekten einen Abend zusammengesetzt und zusammengefasst, was wir eigentlich genau wollen und wie viel wir dafür ausgeben können“, sagt sie. Ein paar Tage später sei ein Entwurf gekommen, der sie sofort überzeugt habe und der jetzt auch gebaut werde.

Anfangs habe sie zwar Bedenken gehabt, dass der Bau mit einem Architekten ihren begrenzten finanziellen Rahmen sprengen könnte. Aber als sie auf der Baustelle erlebt habe, wie Jacobsen für das Einhalten ihres Budgets – auch gegen sie selber – kämpfte, habe sie gewusst, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Zudem seien Architekten eben einfach mit Herzblut dabei, was man von den Verkäufern der Kataloghäuser nicht behaupten könne.

Bauen mit einem Architekten muss nicht zwangsläufig teurer sein, als wenn man ein „Haus von der Stange“ baut, sagt auch Hans Jürgen Krolkiewicz, Autor des in dritter Auflage erschienenen Standardwerks „Günstig Bauen“. Schließlich müssten sich die Architekten an die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) halten. Wichtig sei allerdings, dass im Vertrag alle Arbeitsleistungen genau festgelegt sind, danach richte sich der Preis. Er rate auch dazu, den Vertrag von einem unabhängigen Sachverständigen, einem Justiziar oder zweiten Architekten prüfen zu lassen. Zudem sollte man bei der Bauabnahme unbedingt mindestens einen weiteren Experten hinzuziehen. Das gleiche gelte auch für das Bauen mit Kataloghausanbietern.

Zwar könnten Kataloghäuser niemals so individuell sein wie Architektenhäuser, aber auch bei Kataloghäusern böten die meisten Unternehmen mittlerweile eine breite Palette an individuell gestaltbaren Komponenten an. Einige Anbieter nutzten das Kataloghaus sogar lediglich als Ausgangsentwurf für Sonderanfertigungen, allerdings koste das auch entsprechend.

Einen qualitativen Unterschied zwischen Katalog- und Architektenhäusern gebe es in der Regel nicht, sagt Krolkiewicz. Und sogar die lange verpönten Fertighäuser hätten in Deutschland mittlerweile einen sehr guten Standard erreicht und seien dabei immer noch deutlich billiger als alle Arten von Massivhäusern. Der wichtigste Vorteil von Kataloghäusern gegenüber Architektenhäusern sei die Preis- und Zeitsicherheit. Diese lasse sich bei Architekten nur mit einem entsprechend aufgesetzten Vertrag gewährleisten. Teuer werde es in beiden Fällen nur, wenn der Bauherr im Bau noch Änderungen anmelde. Ein weiterer Vorteil von Kataloghäusern sei, dass sie meist schneller errichtet werden könnten.

Sönke Peters hat beim Bau seines Hauses dagegen auf Verträge nahezu gänzlich verzichten können. Mit der Unterstützung seines Freundeskreises hat der Bauberufsschullehrer über einen Zeitraum von zweieinhalb Jahren sein Haus im Hamburger Nordosten in Eigenarbeit gebaut. Nur für den Dachstuhl, die Heizung und die Starkstrom-Elektronik habe er Handwerker engagieren müssen. Zwei Drittel der Kosten beim Hausbau seien Lohnkosten und nur ein Drittel Materialkosten, sagt er. „Ich habe das Haus für weniger als die Hälfte seines eigentliches Wertes gebaut und habe jetzt ein Gebäude ganz nach meinen Vorstellungen mit einer Südwestfront, die komplett aus Glas besteht“, sagt er. Wenn man handwerkliches Geschick mit planerischem Denken verbinde, sagt er, sei es nach wie vor möglich, sein Traumhaus selber zu bauen.

Kai Jacobsen, Dipl. Ing. Architekt, Langenfelder Str. 45a, 22769 Hamburg, ☎ 040/50 71 94 30. Hans Jürgen Krolkiewicz: Günstig Bauen, 287 Seiten, 24,80 Euro