Drohbriefe an Exminister Baum

Weil sich der FDP-Politiker für eine Freilassung früherer RAF-Terroristen aussprach, wird er nun von Unbekannten attackiert – und fühlt sich an die Angriffe der Siebziger erinnert

BERLIN taz ■ Die Wahl der Worte ist nicht zimperlich. „Wer Terroristen freilassen will, gehört in die Gaskammer“, heißt es in einer Mail, die der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) erhalten hat. Baum hatte sich jüngst für eine Begnadigung des einstigen RAF-Terroristen Christian Klar ausgesprochen. Wegen der Mail hat er nun bei der Staatsanwaltschaft Köln Strafanzeige erstattet. „Ich habe viele kritische Briefe bekommen“, sagte Baum gestern der taz. „Das muss man hinnehmen. Aber diese eine Zuschrift ging zu weit.“

Baum sagte, die kritischen Zuschriften der jüngsten Zeit hielten sich die Waage mit den ermutigenden. Allerdings bekomme er zunehmend Zuschriften von Rechtsextremen, die ihn als „Terroristenfreund“ beschimpften, so Baum. „Das sind die alten Schlachten, die da geschlagen werden“, sagte der 74-Jährige gestern. „Wer in den Siebzigerjahren über die Ursachen des Terrorismus reden wollte oder zur Besonnenheit mahnte, wurde sofort denunziert. Diese Verhaltensmuster sind heute wieder da.“ Baum war zur Zeit des „deutschen Herbstes“ Staatssekretär im Innenministerium, das er später selbst leitete.

Besonders Boulevardmedien hatten zuletzt Stimmung gegen eine Freilassung der RAF-Leute Klar und Brigitte Mohnhaupt gemacht. „Die Bild-Zeitung sollte sich daran erinnern, dass sich Peter Boenisch später von seinen früheren Kommentaren distanziert hat“, sagte Baum. Es sei wohl so, dass man in Deutschland die Zeit der RAF noch nicht verarbeitet habe. „Es fehlt die historische Distanz.“ Trotz der harschen Zuschriften sieht Baum jedoch keine Notwendigkeit, einen Polizeischutz für seine Person zu beantragen. Er werde auch weiterhin seine Meinung sagen.

Wie das Wochenmagazin Spiegel heute berichtet, hat auch der Intendant des Berliner Ensembles (BE), Claus Peymann, schriftliche Drohungen erhalten. Weil eine der Zuschriften wegen seines „nationalsozialistischen Wortschatzes“ unangenehm aufgefallen war, erstattete Peymann ebenfalls Anzeige.

Die Verfasser der Drohungen legten Peymann nahe, er solle „Polizeischutz beantragen und des Öfteren hinter sich schauen“. Außerdem forderten sie ihn auf, Klar „an den Beinen aufzuhängen, damit er noch genug Zeit zur Reue hat“. Peymann hatte Klar für den Fall seiner Freilassung ein Praktikum im BE angeboten. Konservative kritisierten Peymanns Idee der Resozialisierung hart. DOMINIK SCHOTTNER