Ein Freispruch mit Makeln

PROZESS Gustl Mollath, der sieben Jahre in der Psychiatrie saß, bekommt finanzielle Entschädigung, aber nicht das erwünschte Urteil

Das Gericht ist überzeugt, dass Mollath seine Frau geschlagen, getreten, gewürgt und gebissen hat

AUS REGENSBURG LISA SCHNELL

Vor der Urteilsverkündung war Gustl Mollath noch zu Späßen aufgelegt. Warum er immer schon stehe, bevor die Richter überhaupt den Saal betreten haben? „Ich habe ja siebeneinhalb Jahre lang gesessen“, sagt er. Jetzt ist jedes Lächeln aus seinem Gesicht gewichen. Der 57-Jährige bewegt sich nicht. Schon seit einer halben Stunde sitzt er wie versteinert auf der Anklagebank. Sein Blick geht ins Leere, kein einziges Mal wendet er seinen Kopf zu Richterin Elke Escher. Nur sein rotes Gesicht verrät, was ihre Worte in ihm auslösen.

Das Gericht ist „überzeugt“, dass Mollath seine damalige Ehefrau geschlagen, getreten, gewürgt und gebissen hat. Mit diesem Urteilsspruch vom Donnerstag wird Mollath den Saal nicht „ohne jeden Makel“ verlassen, wie er es wünschte. Das laute Husten, mit denen seine Unterstützer im Saal ihrem Unmut Luft machen, ist da wohl kein Trost. Auch nicht, dass die Richter ihn als schuldunfähig freisprechen, weil er eventuell doch wahnhaft war.

Richterin Elke Escher nimmt sich Zeit für ihre Urteilsbegründung. Die erheblichen Faktenfehler in Mollaths letztem Urteil 2006 ließen die bayerische Justiz nicht gut dastehen. Es ist nun ihre Aufgabe, den Ruf wiederherzustellen.

Ausführlich referiert sie die wichtigsten Zeugenaussagen. Mollaths damalige Frau Petra M. hatte drei Personen von der Misshandlung erzählt: der Freundin ihres Bruders, dem Arzt, der ihr ein Attest ausstellte, und einer Mandantin von ihr. Dass Petra M. stumpfer Gewalt ausgesetzt war, wie es auch Rechtsmediziner Hubert Rauscher betonte, steht für das Gericht fest. Petra M. habe Einzelheiten der Tat zwar „nicht völlig konstant“ geschildert, das sei aber „nichts Ungewöhnliches“. Auch dass sie ihrem Mann zu diesem Zeitpunkt etwas „anhängen“ wollte, konnte die Kammer nicht nachvollziehen. Dagegen spreche, dass der Konflikt zwischen den Eheleuten 2001 noch nicht „eskaliert“ sei.

Die von Mollath angebotene Variante, seine Frau habe sich die Verletzungen bei einem Sprung aus dem Auto geholt, „hält nicht her“, sagt die Richterin. Auch dass es Notwehr gewesen sei, wie Mollath behauptete, glaubt das Gericht nicht. Aus seiner kurzen Äußerung vor Gericht, er habe sich „nur gewehrt“, schließt es aber, dass es auf jeden Fall eine tätliche Auseinandersetzung zwischen den Eheleuten gab. Da muss Anwalt Gerhard Strate kurz schmunzeln. Die Tat nur pauschal abzustreiten, sich dann aber nicht näher zu erklären, das „kommt vor Gericht nicht gut“, sagt er nach dem Urteil. Doch Mollath war beratungsresistent.

Stur starrt er vor sich hin, als die Richterin ihm mit freundlicher Stimme den zweiten Schlag versetzt: Das Gericht kann nicht ausschließen, dass er doch unter einer „wahnhaften Störung“ litt. Ist sich das Gericht unsicher, müsse es „im Zweifel für den Angeklagten“ entscheiden und ihn als schuldunfähig freisprechen.

Gegen den Angeklagten heißt es wohl in Mollaths Version. Unzählige Zeugen wollte er laden, um zu beweisen, dass er nie psychisch krank war. Jetzt schüttelt er immer wieder seinen Kopf, als Richterin Escher all die Seltsamkeiten rezitiert, die ihr an seiner Person aufgefallen sind: die grüne Zahnbürste, die in seinem Revers steckte, als er 2006 vor Gericht erschien, weil er ja „eh eingewiesen“ würde, die Briefe an Kofi Annan und den Papst. Auch dass ein Gutachter in Mollaths Augen nur deshalb gegen ihn sei, weil er ein Konto bei der von ihm beschuldigten Bank hatte – für die Richter ein „Anzeichen für Realitätsverlust“.

Mollaths Versteinerung löste sich auch nicht, als das Gericht ihn in den zwei anderen Anklagepunkte – Freiheitsberaubung und Sachbeschädigung – für unschuldig erklärte. Dass Mollath seine Frau festgehalten haben soll, hat nur eine Zeugin beobachtet, und ihre Schilderungen seien „dürftig und mit Widersprüchen durchsetzt“. Auch bei den Mollath vorgeworfenen Reifenstechereien könnte die Beweislage „schlechter nicht sein“, so Escher. Wegen dieser Reifenstechereien hatten Richter und Gutachter Mollath 2006 als gefährlich eingestuft, was ihn in die Psychiatrie brachte. Für die Zeit seiner Unterbringung in der Psychiatrie soll Mollath deshalb Entschädigung bekommen.

Mollath selbst wirkt gefasst, er will das Urteil aber „anfechten“. Bei einem Freispruch ist ihm das aber nicht möglich. Trotzdem ist sein Kampf nicht zu Ende. Nach dem Urteil fuhr er in die Psychiatrie Taufkirchen zu Ilona H., die wie er aus zweifelhaften Gründen sieben Jahre in der Psychiatrie saß und am Donnerstag entlassen wurde. Mollath will ihr helfen. „Ich kann nicht anders“, sagte er.