Reichenhall ohne Konsequenzen

Elf Monate nach Eishallensturz ist klar: viel Schlamperei, wenig Gesetzesverschärfung

MÜNCHEN taz ■ Der Zusammenbruch der 1972 errichteten städtischen Eishalle sei „auf die Verkettung vieler Mängel und Schäden zurückzuführen“, sagte Innenstaatssekretär Georg Schmid (CSU) gestern vor dem Innenausschuss des Landtags. Auch die Staatsanwaltschaft hatte reichlich Fehler und Schlampereien entdeckt. Nach dem Gutachten der Staatsanwaltschaft sei die Statik falsch berechnet und zudem nicht wie erforderlich überprüft worden. Die Dachträgerkonstruktion war nicht zugelassen, der beim Bau verwendete Harnstoffharzkleber sei ungeeignet gewesen; auch beim Unterhalt der Halle sei geschlampt worden: „Die Ursachen für die immer wieder aufgetretenen Wassereinbrüche in das Gebäude wurden nicht dauerhaft beseitigt“, so Schmid. „Es gab Fehler bei der Instandhaltung der Halle.“

Der viele Schnee am Unglückstag sei dagegen nur Auslöser gewesen. „Allein aufgrund der vorhandenen Schneelast hätte das Gebäude nicht einstürzen dürfen“, so Schmid. Er ergänzte, dass bei Überprüfungen kommunaler Bauwerke in den letzten Monaten immer wieder Nachlässigkeiten festgestellt worden seien. Erst gestern hatte der Bayerische Oberste Rechnungshof bemängelt, dass der Staat jährlich 375 Millionen Euro zu wenig für den Unterhalt seiner Gebäude investiert.

Eine Verschärfung der Bauordnung oder regelmäßige Prüfungen lehnte Schmid dennoch ab. „Die Bayerische Bauordnung verpflichtet die Eigentümer bereits zu einer Art Dauer-TÜV.“ Er verwies auf eine im September erstellte Broschüre, die „Hinweise“ gibt für die „Überprüfung der Standsicherheit von baulichen Anlagen“. Sie wird auch von den Bauministern der anderen Ländern verbreitet und ist in Bayern mittlerweile Pflichtenheft – allerdings nur für öffentliche Gebäude. Für private Bauwerke sind die „Hinweise“ dagegen nicht verbindlich. „Es gibt hundert Millionen Gebäude“, sagte Schmid dazu, „das kann man gar nicht permanent überwachen.“ Besonders überprüft würden deshalb nur Eishallen mit Holzkonstruktionen und besonders große Sonderbauten.

Noch nicht geklärt ist die persönliche Schuldfrage in Bad Reichenhall. Die Staatsanwaltschaft prüft bei neun Personen die Anklageerhebung wegen des Verdachtes auf fahrlässige Tötung; darunter Mitarbeiter der Stadt und der damals bauausführenden Firmen, sowie Architekten und Ingenieure. MAX HÄGLER