„Zustände wie in Gottesstaaten“

Bayerns SPD-Vormann Franz Maget sieht Chancen, die absolute Herrschaft der CSU zu beenden. Ein Grund: das „völlig veraltete Familien- und Frauenbild“ der Christsozialen

taz: Herr Maget, die bayerische Staatspartei CSU steckt so tief in der Krise wie noch nie. Aber die SPD kann davon nicht profitieren. Was machen Sie falsch?

Franz Maget: Moment. Vor kurzem hatten wir in einer Umfrage 27 Prozent, und die CSU war nur noch bei 45 Prozent.

Inzwischen legt die CSU aber wieder zu. Können Sie sich Bayern ohne CSU-Regierung überhaupt vorstellen?

Das Land kann ich mir sehr gut vorstellen mit der CSU in der Opposition. Aber unser erstes Ziel ist, die absolute Mehrheit dieser Partei zu brechen. Wenn das gelungen ist, haben wir in Bayern offenere Verhältnisse.

Warum ist die CSU so stark – und die SPD so schwach?

Das hat mit Tradition und Gewohnheit zu tun. Solche Strukturen zu brechen, dauert länger als ein Machtwechsel in einer lebendigen Demokratie, wo Opposition und Regierung sich häufiger abwechseln.

Wie lange soll das noch dauern?

Schon bei der Bundestagswahl 2005 lag die CSU unter 50 Prozent – zum ersten Mal seit 30 Jahren. Jetzt gibt es erste Umfragen für eine Landtagswahl, in denen die CSU unter 50 Prozent liegt. Da zeigt sich bei einem Teil der CSU-Wählerschaft durchaus ein Abwanderungsprozess.

Vor kurzem noch wollten Sie diesen Prozess durch ein Volksbegehren für Neuwahlen beschleunigen. Warum haben Sie die Pläne dafür wieder in die Schublade verbannt?

Alleine die Ankündigung hat der CSU einen Schock versetzt. Das hätte geklappt, wenn Stoiber im Amt geblieben wäre. Jetzt ist da natürlich die Luft raus.

Aber wenn die CSU weiterschwächelt, ist das doch ein guter Grund, trotzdem an dem Begehren festzuhalten.

Das Instrument ist ja auch richtig. Aber wenn es die Gefahr des Scheiterns beinhaltet, dann muss ich das auch wieder fallen lassen.

Wem wenden sich diese Wähler zu?

Die gehen zunächst mal weg von der CSU. Das ist der erste wichtige Schritt. Dass sie dann alle zur SPD gehen, wäre der nächste Schritt.

Wie wollen Sie das schaffen?

Wir müssen diesen Wählern die Zuversicht geben: Es wird sich tatsächlich etwas ändern, wenn sie uns wählen.

Wo wollen Sie die CSU denn angreifen?

Die CSU hat ein völlig veraltetes Familien- und Frauenbild. In Stoibers Zukunftskommission „Bayern 2020“ waren 19 Männer, aber keine einzige Frau. So etwas gibt es bestenfalls in muslimischen Gottesstaaten, aber nicht in einer modernen Demokratie. In der Bildungspolitik wollen wir landesweit mehr Ganztagsangebote. Das wird auch in Bayern kommen, aber wie so oft bei der CSU viel zu spät. Und wir wollen, dass es insgesamt in Bayern gerechter zugeht.

Warum sollten die Wähler in Bayern an Veränderung glauben?

Ich sage schon lange: Die kommende Landtagswahl wird spannender, als manche glauben. Nehmen Sie nur das Beispiel Rheinland-Pfalz: Das war früher ein Stammland der CDU, die sich dann selbst zerstritten hat – und plötzlich war die Chance für die SPD da.

Wünschen Sie sich mehr Unterstützung aus Berlin?

Dort hat man leider erst in den vergangenen Monaten bemerkt, welche bundespolitische Bedeutung Bayern hat. Auch die SPD war dort leider der Meinung: In Bayern sind die Verhältnisse zementiert, also vergessen wir das Land. Das hat sich wohltuend geändert.

Inwiefern?

Meine Partei hat erkannt, dass wir in Deutschland niemals mehrheitsfähig werden ohne Bayern. Wir haben hier zwölf Millionen Einwohner. Die Bayern-SPD kann eine Million Stimmen zusätzlich mobilisieren oder verlieren. Deswegen haben wir verabredet, dass die Bundes-SPD uns nicht weiter stiefmütterlich behandelt.

Ihr Parteivorsitzender Kurt Beck kommt nun also öfter nach Bayern?

Zum Beispiel. Aber wir müssen uns auch inhaltlich besser abstimmen, damit nicht ständig ein Dissens zwischen Bayern und Bund besteht. Auch organisatorisch und finanziell müssen wir einiges verbessern.

In Nordrhein-Westfalen werden bis 2018 die Kohlegruben geschlossen – ein Abschied von der alten Arbeiterpartei. Gilt das auch für die bayerische SPD?

Die bayerische SPD war noch nie eine Arbeiterpartei. In ihr haben Arbeiter einen Platz, aber sie war von jeher geprägt von Gewerbetreibenden, kleinen Leuten, Beamten und auch Flüchtlingen – eine gemischte Volkspartei von kleineren Leuten. Im Übrigen müssen Sie auch sehen: Bayern ist seit tausend Jahren ein eigenes Land. Wer hier politisch erfolgreich sein will, muss sich auf Bayern beziehen.

INTERVIEW: DOMINIK SCHOTTNER